Asyl-Streit in der Koalition Ökonomen warnen vor "schwerwiegenden, nicht abschätzbaren Folgen"

Die Aussicht auf den Bruch der Koalition macht den meisten Ökonomen und Vertretern der deutschen Wirtschaft Sorgen. Deutschland könne sich, so der Tenor, keine Regierungskrise leisten.

Die Koalitionäre sollten "das Ziehen roter Linien unterlassen und sich zusammenraufen", sagte der Präsident des Industrieverbands BDI, Dieter Kempf, vor der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung Düsseldorf. Er wünscht sich, dass die Koalitionäre in Berlin den Umgang untereinander ändern. Es gebe genügend Zukunftsthemen für das Regierungsbündnis aus CDU, CSU und SPD, zitiert ihn die Nachrichtenagentur Reuters. Dazu gehöre unter anderem die Europäische Union. Der französische Präsident Emmanuel Macron wäre Kempf zufolge froh, wenn er in der Debatte um Reformen in Europa einen starken Partner Deutschland an seiner Seite wissen würde. Quelle: imago images
"CSU und CDU haben sich für ihr Fingerhakeln einen denkbar schlechten Zeitpunkt ausgesucht", sagte Mario Ohoven, Präsident des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW). "Deutschland kann sich gerade jetzt keine Regierungskrise leisten." Angesichts des Handelsstreits mit den USA, Kriegen und Krisen in aller Welt sowie der ungelösten Euro-Krise brauche Deutschland Stabilität. "Eine Regierungskrise würde die Konjunkturaussichten weiter eintrüben und damit Wachstum gefährden." Er schätzt, dass Grenzkontrollen die Wirtschaft „15 Mrd. Euro kosten“ würden. Vor zwei Jahren hatte Ohoven allerdings noch gefordert: "Wir brauchen Grenzkontrollen." Denn die Kosten durch Kontrollen seien „ein relativ geringer Betrag verglichen mit den bis zu 700 Milliarden Euro, die uns die Flüchtlinge langfristig kosten können." Quelle: imago images
"Angesichts der vielen großen Herausforderungen von außen rächt es sich, dass die Kanzlerin in den vergangenen drei Jahren zum Thema Migration keine klare Linie in den eigenen Reihen der Union herbeigeführt hat", sagte der Präsident des Verbandes der Familienunternehmer, Reinhold von Eben-Worlée der Nachrichtenagentur Reuters. Falls die CSU nicht nur die Fraktionsgemeinschaft verlasse, sondern auch die Koalition, gäbe es verschiedene Möglichkeiten, auch ohne Neuwahl weiter zu regieren. "Aber alle sollten sich darüber bewusst sein, dass die Konjunktur ihren Höhepunkt überschritten hat, dass Deutschland an Wettbewerbsfähigkeit verliert und dass Handelskriege, europäische Grenzsicherung und die Bekämpfung von Fluchtursachen sehr viel Geld kosten werden", sagte von Eben-Worlée. Quelle: imago images
Lars Feld, Professor für Wirtschaftspolitik und Mitglied des Sachverständigenrat der Bundesregierung Quelle: imago images
"Der Streit um Geflüchtete schafft signifikante wirtschaftliche Risiken", sagte Marcel Fratzscher, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) gegenüber der Süddeutschen Zeitung. "Ein deutscher Alleingang bei Geflüchteten wäre ein fatales Signal an Europa und könnte dazu führen, dass andere europäische Regierungen eigene Alleingänge starten werden." Schon in der Vergangenheit sei Berlin durch Alleingänge aufgefallen in Europa, etwa bei der Energiewende. "Das darf sich nicht wiederholen." Die Bundesregierung müsse auf Italien zugehen und die neue Regierung in Rom davon überzeugen, eng zusammenzuarbeiten, sowohl bei Geflüchteten als auch bei der Wirtschaftspolitik. Quelle: imago images
"Auch wenn der Handel oft als das größte Risiko für die deutsche Wirtschaft genannt wird, sehen wir die Innenpolitik eher als ein viel größeres Risiko", sagte der ING-Diba-Chefökonom Carsten Brzeski gegenüber dem Handelsblatt. "Die nächsten zwei Wochen könnten die politische Landschaft in Deutschland dramatisch verändern und im schlimmsten Fall sogar zu einem Sturz der Regierung und Neuwahlen führen." Für die Wirtschaft würde dies weitere Verzögerungen bei dringend benötigten Investitionen und Strukturreformen sowie der Stärkung der Währungsunion bedeuten. Quelle: imago images
Handwerks-Präsident Hans Peter Wollseifer, warnte in der "Süddeutschen Zeitung" vor "nicht abschätzbaren, schwerwiegenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen", sollte die Regierung zerbrechen. In Deutschland dürfe "macht- und parteipolitisches Taktieren nicht Oberhand gewinnen". Quelle: imago images
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