Im Skandal um die Bremer Außenstelle des Flüchtlings-Bundesamtes hat Manfred Schmidt, der frühere Chef der Behörde, nach dpa-Informationen ein Disziplinarverfahren gegen sich selbst beantragt. Zuerst hatte die „Bild“-Zeitung (Mittwoch) darüber berichtet. Der frühere Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) wolle damit seine Unschuld nachweisen. Schmidt leitete die Nürnberger Behörde von 2010 bis 2015. Das Bundesinnenministerium wollte sich zu dem Bericht nicht äußern.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die frühere Leiterin der BAMF-Außenstelle in Bremen, weil diese zwischen 2013 und 2016 mindestens 1200 Menschen unrechtmäßig Asyl gewährt haben soll. Außer gegen die Frau wird gegen fünf weitere Beschuldigte ermittelt - darunter sind drei Rechtsanwälte und ein Dolmetscher. Es besteht der Verdacht der Bestechlichkeit und der bandenmäßigen Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung.
In der Affäre um mutmaßlich manipulierte Asylentscheidungen in Bremen droht der FDP-Vorsitzende Christian Lindner zudem mit einem Untersuchungsausschuss des Bundestags. „Diese Vorgänge müssen restlos aufgeklärt werden, damit Verschwörungstheoretikern kein Boden gegeben wird“, forderte Lindner am Mittwoch bei der Generaldebatte zum Bundeshaushalt. Der bisherige Aufklärungswille von Innenminister Horst Seehofer überzeuge ihn nicht, sagte der FDP-Chef. An die Adresse des CSU-Vorsitzenden ergänzte er: „Sie sind einen Schritt entfernt von einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss.“
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat laut einem Medienbericht indes bereits Ende März einen Hinweis auf den Skandal in der Bremer Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) erhalten. Das berichtet das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) unter Berufung auf CSU-Kreise. Demnach schrieb die damalige Leiterin der Außenstelle, Josefa Schmid, Seehofer am 30. März eine Kurznachricht an Seehofers private Handynummer. Eine Sprecherin Seehofers sagte dem RND: „Der Minister kennt die SMS nicht und ist um Aufklärung bemüht.“
In der Kurznachricht bat Schmid laut dem RND, gemeinsam mit Bremer Referatsleitern bei Seehofer vorsprechen zu dürfen. „Wir müssen Ihnen dringend persönlich und bitte absolut vertraulich (die Amtsleitung ist in verstörerischer Weise trotz Remonstrationen an Aufklärung nicht gewillt) ungeheuerliche Vorgänge in einer unglaublichen Dimension mit Beweismitteln übergeben, die man nicht ignorieren kann, um gewaltigen Schaden für das ganze Land abzuwenden“, heißt es darin. Am Dienstag hatte das Bundesinnenministerium erklärt, Seehofer habe erst am 19. April vom Bremer BAMF-Skandal erfahren. Mindestens fünf Wochen lang hätten ihn engste Mitarbeiter trotz zahlreicher Hinweise angeblich nicht informiert. Am 4. April, fünf Tage nach der SMS, hatte der Parlamentarische Staatssekretär Stephan Mayer (CSU) mit Schmid telefoniert und einen ausführlichen Bericht über mögliche Unregelmäßigkeiten in der BAMF-Außenstelle von ihr erhalten.
Auch Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) hält die Einsetzung eines Untersuchungsauschusses für angemessen, um die Vorgänge beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) aufzuklären. „Es hat auch schon aus weit geringeren Anlässen Untersuchungsausschüsse gegeben“, sagte Pistorius der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.
Seine Parteikollegin Eva Högl, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, schloss sich dieser Einschätzung allerdings nicht an. „Wir sollten jetzt nicht den zweiten Schritt vor dem ersten tun“, sagte sie der Tageszeitung „Die Welt“.
Der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses müsste im Bundestag ein Viertel der Abgeordneten zustimmen. Die notwendige Zahl von 178 Parlamentariern wäre mit den Stimmen von drei der vier Oppositionsfraktionen erreicht.
Die Bremer Außenstelle des BAMF soll mindestens 1200 Menschen unrechtmäßig Asyl gewährt haben. Die daraufhin eingesetzte und inzwischen wieder abberufene Leiterin der Außenstelle, Josefa Schmid, bat nach Angaben des Innenministeriums bereits am 14. März um einen persönlichen Gesprächstermin mit Seehofer. Lindner betonte in Seehofers Richtung: „Nimmt man zu Ihren Gunsten nur einmal Abstimmungsprobleme in der Spitze des Innenministeriums an, beruhigt das dennoch nicht.“