Asylbewerber und Kriminalität Wie kriminelle Flüchtlinge die Verwaltung austricksen

Unter die Flüchtlinge mischen sich immer mehr Kriminelle aus Nordafrika. Die Fälle in Köln zeigen: Wer die Mängel in der Verwaltung geschickt ausnutzt, kann jahrelang unbehelligt bleiben.

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Wo Flüchtlinge in Deutschland wohnen
Autobahnmeisterei Quelle: dpa
Deutschlands höchstgelegene Flüchtlingsunterkunft befindet sich im Alpenvorland Quelle: dpa
Container Quelle: dpa
Bischofswohnung und Priesterseminar Quelle: dpa
Eissporthalle Quelle: Screenshot
Ehemaliger Nachtclub als Flüchtlingsunterkunft Quelle: dpa
Jugendherberge Quelle: dpa

Je mehr über die Täter der Silvesternacht von Köln bekannt wird, desto stärker rückt eine neue Gruppe von Flüchtlingen in den Fokus: Zuwanderer aus Algerien und Marokko. Denn zum einen stammten die meisten der bisher identifizierten Verdächtigen für die Vorkommnisse in der Silvesternacht aus diesen beiden Ländern, zum anderen wandelt sich derzeit auch das Lagebild an der deutsch-österreichischen Grenze massiv. So berichtet die Bundespolizei, dass seit dem Jahreswechsel fast nur noch Menschen aus Algerien, Marokko und Tunesien die Grenze überquerten, ähnliches legen wohl auch die Zahlen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) nahe. Im Online-Verteilungssystem der Behörde seien Flüchtlinge aus Algerien und Marokko inzwischen die viert- und fünftgrößte Gruppe, so berichtete NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) am vergangenen Montag dem Düsseldorfer Landtag. Polizei und Verwaltung sehen diese Bewegung mit großer Sorge, da sich unter den Flüchtlingen aus diesen Ländern viele Kriminelle befinden.

Das liegt zum einen daran, dass sich die die Perspektive für nordafrikanische Flüchtlinge fundamental von den Aussichten aller anderen Flüchtlingsgruppen unterscheidet. So haben Marokkaner und Algerier anders als Syrer kaum Chancen auf Anerkennung, laut Jäger liegt die Quote der positiven Bescheide bei ungefähr zwei Prozent. Zugleich aber haben sie anders als die Balkanflüchtlinge, die zuvor zeitweise das System blockierten, auch kaum eine Rückkehrperspektive. Während für Menschen aus Albanien oder Kosovo die Reise nach Deutschland nur mit geringen Kosten verbunden ist, setzen Familien aus Algerien und Marokko oft ihr ganzes Familienkapital ein, um den Schlepper für ein einzelnes Familienmitglied zu bezahlen. Das aber setzt viele Geflüchtete aus diesen Ländern unter großen Druck, hier möglichst schnell an Geld zu kommen, was sich während des Asylverfahrens, gerade bei geringer Bleibeperspektive, jedoch nur über Straftaten umsetzen lässt.

Hintergründe zu den Übergriffen in Köln


Hinzu kommen offenbar immer mehr Kriminelle aus diesen beiden Ländern, die dort schon mit dem Ziel aufbrechen, in Europa weitere Straftaten zu begehen. In den vergangenen Monaten hat die Polizei immer wieder Diebesbanden aus diesen Ländern gestellt, die zuvor schon in Spanien oder Frankreich ähnliche Delikte begangen hatten. Jetzt werden die Rufe laut, gegen diese Gruppe auch gesetzlich vorzugehen. So will Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) Marokko und Algerien zu sicheren Herkunftsländern erklären und dadurch Abschiebungen beschleunigen. Ein Blick auf die Strategien der Kriminellen aus diesen Ländern zeigt jedoch, dass damit allein wenig zu erreichen sein dürfte.

Die Probleme beginnen schon dabei, die Menschen aus Algerien und Marokko einwandfrei ihren Herkunftsländern zuzuordnen. Im Prinzip versucht die Bundespolizei schon an der Grenze, Marokkaner und Algerier aufzuhalten. Wer einer dieser Nationalitäten angehört, soll möglichst nicht in die Aufnahmezentren des BAMF weiterreisen, sondern in einem Gewahrsamsbereich zunächst detaillierter befragt werden. Da viele Marokkaner und Algerier aber um ihre geringen Chancen wissen, geben sie sich oft als Syrer aus. Übersetzer berichten, dass die von ihnen gesprochenen Dialekte denen der Syrer zum Teil stark ähneln, was eine schnelle Klärung schwierig macht. Wer dann beim BAMF keine gültigen Papiere vorweisen kann, der darf sich seine Nationalität erstmal nahezu frei aussuchen. Als Ersatz für einen Pass erhalten Flüchtlinge dort eine „Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender“ (Büma). Basis dafür ist eine Selbstauskunft.

Im Schatten der Anonymität

Mit diesen Papieren wiesen sich auch die Tatverdächtigen in Köln aus. Das Problem: Solange das BAMF keine Fingerabdrücke aufgenommen hat, kann sich der Flüchtling jederzeit eine neue Identität ausstellen lassen. Fingerabdrücke aber werden erst genommen, wenn das Asylverfahren eröffnet wird. So war es möglich, dass der Beil-Attentäter von Paris zuvor mit sieben verschiedenen Identitäten in Deutschland gelebt hatte.

Manche Flüchtlinge nehmen diese Identitätswechsel auch aus deutlich profaneren Gründen vor. So berichtet die „Neue Westfälische“ von einem Flüchtling, der seine Büma schnell wieder vernichtete, als er erfuhr, dass er in einer Flüchtlingsunterkunft in Sachsen untergebracht werden sollte. Im Schatten dieser Anonymität hat sich in den vergangenen Jahren offenbar ein immer größer werdendes Netzwerk Krimineller entwickelt. So startete die nordrhein-westfälische Polizei bereits Anfang 2015 ein „Casablanca“ getauftes Analyseprojekt, um diesen Strukturen auf den Grund zu gehen. Ein Zentrum der Kriminellen bilden demnach die „Klein-Marokko“ getauften Straßenzüge im Düsseldorfer Stadtteil Oberbilk. Von hier aus sollen sie ihre bundesweiten Raubzüge planen, gegen insgesamt 2200 junge Männer liegen inzwischen mehr oder weniger konkrete Hinweise vor. Dass die Polizei diese Strukturen inzwischen halbwegs überschauen kann, macht das Problem jedoch nicht kleiner.

„Wir können viele der Straftäter nicht oder nur sehr schwer abschieben“, so NRW-Innenminister Jäger. Solange sie sich im Asylverfahren befinden, sind die Hürden dafür ohnehin höher. Und dieses Verfahren dauert gerade bei diesen Herkunftsländern derzeit sehr lange, da der Fokus des BAMF auf der Abarbeitung der syrischen Fälle liegt. So liegt die durchschnittliche Verfahrensdauer für Algerien und Marokko aktuell bei mehr als 14 Monaten. Inklusive der Zeit bis zur Eröffnung des Verfahrens und einer anschließenden Klage beim Verwaltungsgericht bleiben Menschen mit kriminellen Absichten somit mindestens 2,5 oder drei Jahre, bevor eine Abschiebung akut wird.

Selbst dann aber ist die Verwaltung meist noch nicht am Ziel. Soll ein abgelehnter Asylbewerber abgeschoben werden, obwohl er nicht über gültige Papiere verfügt, müssen so genannte Passersatzpapiere vom Heimatland ausgestellt werden. Die meisten Länder machen das inzwischen recht zügig - nicht aber Marokko und Algerien. Wenn diese Länder nun zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt werden, könnte das zwar die Asylverfahren beschleunigen. An den Schwierigkeiten bei der Abschiebung würde sich jedoch nichts ändern.

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