Asylbewerber Weniger „freiwillige“ Rückkehrer und Abschiebungen 2017

Möglichst viele abgelehnte Asylbewerber sollen zurück in die Heimat: Bund und Länder mühen sich, die Zahl der Abschiebungen und freiwilligen Ausreisen zu steigern. Gelungen ist das bisher nicht. Die Zahlen ernüchtern.

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Freiwillig kehren weniger Migranten zurück, als Bund und Länder sich das wünschen würden. Quelle: dpa

Berlin Die Zahl der abgelehnten Asylbewerber, die zwangsweise oder freiwillig in ihre Heimat zurückkehren, ist gesunken - trotz aller Bemühungen von Bund und Ländern. Im laufenden Jahr gingen laut Bundesinnenministerium bis Ende November rund 27 900 Menschen mit Hilfe finanzieller Förderung freiwillig in ihre Heimat zurück. Das waren deutlich weniger als im gleichen Zeitraum 2016 (50 465).

Die meisten Bundesländer schoben in diesem Jahr bislang auch weniger Menschen ab als 2016, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur in den Innenministerien der Länder ergab.

Besonders deutlich war der Rückgang der Abschiebungen in Sachsen, wo sich diese Zahl in den elf Monaten 2017 gegenüber dem Vorjahreszeitraum halbierte. Nennenswert mehr Abschiebungen im Vergleich zum Vorjahr meldeten lediglich Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz.

Schutzsuchenden, deren Asylantrag keinen Erfolg hat, droht eine Abschiebung - zumindest in der Theorie. Wer dem entgehen will, kann freiwillig ausreisen und dabei finanzielle Unterstützung bekommen. Der Begriff „freiwillig“ ist daher eigentlich nicht ganz treffend.

Laut Bundesinnenministerium wurden von Januar bis Ende November knapp 22 200 Menschen aus Deutschland zwangsweise in ihre Heimat zurückgebracht. 2016 hatte es insgesamt knapp 25 400 Abschiebungen gegeben. Damit ist der deutliche Anstieg der vergangenen Jahre gestoppt: Von 2014 auf 2015 hatten sich die Abschiebezahlen in etwa verdoppelt - auf mehr als 20 000; 2016 waren sie weiter gestiegen.

Mit dem enormen Andrang von Schutzsuchenden 2015 und 2016 waren neben den Abschiebungen auch die Zahlen geförderter freiwilliger Ausreisen in großen Sprüngen nach oben gegangen (2014: 13 574, 2015: 35 514, 2016: 54 006). Nun also ein deutlicher Rückgang.

Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) sagte mit Blick auf den Abwärtstrend in seinem Land, 2016 habe es im Gegensatz zu 2017 viele Sammelabschiebungen gegeben, besonders in die Balkanstaaten. „Das war vor allem auch dank der Einstufung als sichere Herkunftsländer und der vielen Sammelcharter möglich.“ Er forderte eine solche Einstufung auch für die Maghrebstaaten. „Denn insbesondere in Sachsen leben viele abgelehnte Asylbewerber aus Tunesien, Marokko und Libyen.“

Im Bundesvergleich habe Sachsen zudem „überdurchschnittlich viele ausreisepflichtige Asylbewerber aus Ländern, die sich hartnäckig der Mitwirkung bei der Rücknahme verweigern“, sagte Wöller, der auch Vorsitzender der Innenministerkonferenz ist. Auch hier müsse der Bund den Druck auf die Herkunftsländer verstärken.

Im Innenministerium in Bayern wurden die leicht rückläufigen Zahlen ebenfalls mit weniger Sammelabschiebungen begründet.

Bei den freiwilligen Ausreisen ging es in Niedersachsen am stärksten bergab. Nach vorläufigen Berechnungen des Innenministeriums sank ihre Zahl um deutlich mehr als die Hälfte: von insgesamt 10 570 - mit und ohne Förderung - im Jahr 2016 auf 3874 in den ersten zehn Monaten dieses Jahres. Zu Jahresbeginn hatte Innenminister Boris Pistorius (SPD) noch die Hoffnung geäußert, das Vorjahresniveau zu erreichen.

Als einziges Bundesland verzeichnete Mecklenburg-Vorpommern bei den Ausreisen einen nennenswerten Anstieg, wenn auch auf niedrigem Niveau. Bis Ende November hätten 480 Personen freiwillig das Küstenland verlassen, nach 410 im gesamten Vorjahr, teilte das Innenministerium in Schwerin mit.

Bund und Länder hatten sich in den vergangenen Monaten bemüht, die Zahl der freiwilligen Ausreisen und Abschiebungen zu steigern. Sie verschärften Abschieberegelungen, richteten ein gemeinsames Koordinierungszentrum für Rückführungen ein, starteten Telefon-Hotlines, Beratungsangebote, ein Informationsportal im Netz und erhöhten die Finanzhilfen für freiwillige Rückkehrer.

Erst vor wenigen Wochen startete Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) ein neues, befristetes Programm, um mehr Asylbewerber mit einer Extra-Prämie dazu zu bewegen, das Land zu verlassen. Von Anfang Dezember bis Ende Februar 2018 können sie zusätzliche Unterstützung bei der Ankunft in ihrer Heimat beantragen, zum Beispiel Zuschüsse für Miete oder Möbel bekommen. Vorgesehen sind Hilfen in Form zusätzlicher Sachleistungen: bis zu 3000 Euro für Familien, bis zu 1000 Euro für Einzelpersonen.

Bislang hielt sich der Ansturm auch hier in Grenzen: Wie das Bundesinnenministerium auf dpa-Anfrage erklärte, wurden seit Anfang Dezember 162 Anträge auf Wohnkostenzuschuss für insgesamt 284 Personen gestellt - unter anderem von Irakern, Russen und Afghanen.

Die Zahlen zu Abschiebungen und freiwilligen Ausreisen variieren mitunter leicht, je nach Quelle. Die Länder haben zum Teil eine andere Zählweise als der Bund. Teilweise werden etwa sogenannte Dublin-Fälle - also Rückführungen in andere EU-Staaten - bei den Abschiebungen mit einberechnet, anderswo nicht.

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