Asylrecht CSU-Politikerin Lindholz fordert mehr Zeit für Asylfall-Überprüfung

Das Bundesflüchtlingsamt fürchtet eine Überforderungswelle: Viele Asylentscheidungen, die damals in Eile und unter Stress getroffen wurden, stehen zur Überprüfung an.

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Die Vorsitzende des Innenausschusses äußert sich vor der Sondersitzung des Innenausschusses des Bundestags zur Affäre beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Quelle: dpa

Berlin Die CSU-Innenpolitikerin Andrea Lindholz warnt vor einer neuen Überforderung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Um dies zu verhindern, sei eine vorübergehende Verlängerung der Drei-Jahres-Frist für die Überprüfung des Schutzes für anerkannte Flüchtlinge notwendig, sagte die Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestages der Deutschen Presse-Agentur.

„Die Menge der anstehenden Widerrufsprüfungen darf nicht die Qualität der Entscheidungen beeinträchtigen - ich fordere daher, befristet für zwei Jahre die maximale Frist für die Durchführung der Widerrufsprüfung von aktuell drei auf fünf Jahre zu verlängern.“ Lindholz, die das Bundesamt (Bamf) in Nürnberg am Montag mit anderen Mitgliedern des Ausschusses besucht hatte, erklärte, das Amt würde dadurch mehr Spielraum erhalten. Die Behörde könne dann selbst entscheiden, welche kritischen Fälle zuerst behandelt werden sollten.

Sie warnte: „Es darf nicht sein, dass manche Verfahren aus Kapazitätsgründen gar nicht mehr angesehen werden.“ Eine entsprechende Änderung müsse bis Januar 2019 in Kraft treten, um für die Fälle aus 2015 wirksam zu werden. Die Überprüfung der Verfahren aus den Jahren 2015 und 2016 stelle für die Behörde, die gleichzeitig neue Asylanträge bearbeiten müsse, eine große Herausforderung dar, sagte Lindholz. „Es wäre ein gravierender Fehler, wenn wir solche Warnungen aus dem Bamf noch mal überhören würden.“

Bei den Überprüfungen geht es erstens um die Frage, ob sich die Lage im Herkunftsland geändert hat. Zweitens soll geklärt werden, ob sich neue Erkenntnisse zur Identität des Flüchtlings ergeben haben. Das gilt vor allem für Ausländer, die ohne Papiere gekommen waren.

Bamf-Präsident Hans-Eckhard Sommer hatte in einer Anhörung im Bundestag vergangene Woche darauf hingewiesen, dass seine Behörde bis Ende 2020 rund 773.000 Asylbescheide zu überprüfen habe – davon gut 400.000 im nächsten Jahr und rund 300.000 im Jahr 2020. Dies sei eine „bis dato einmalige“ Herausforderung. Es sei zu befürchten, dass sich in diesem Zeitraum sämtliche Ressourcen auf Widerrufsverfahren konzentrieren könnten.

Aus dem Bundesinnenministerium hieß es am Dienstag, das Problem sei bekannt. Wie man damit umgehen werde, sei aber noch nicht entschieden. Die Bundesregierung hatte im September 2017 in einer Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion geschrieben: „Die Durchführung der Widerrufsverfahren erfolgt nicht „zu Lasten“ anderer dringender Aufgaben, da es sich um eine gesetzliche Aufgabe handelt, die bei der Planung der Personalressourcen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge für dieses und die nächsten Jahre mit zu berücksichtigen ist.“

Zuletzt lag der Anteil der Überprüfungen, die mit einer Rücknahme des Schutzes oder einem Widerruf endeten, unter zwei Prozent. Allerdings tritt Anfang 2019 eine Neuregelung in Kraft. Danach sollen Flüchtlinge künftig verpflichtet werden, zur Überprüfung persönlich zu erscheinen.

Eine Pflicht zur Mitwirkung gab es bislang nur beim Antrag auf Asyl. In Zukunft müssen die Betroffenen beim Überprüfungstermin auch Ausweisdokumente vorlegen oder erkennungsdienstliche Maßnahmen zulassen. Andernfalls drohen Nachteile bei der Asylprüfung sowie Geldstrafen oder Gefängnis.

Bei einer Überprüfung von Zehntausenden Fällen waren nur gut 4500 oder 34 Prozent der im schriftlichen Verfahren anerkannten Flüchtlinge der Aufforderung nachgekommen, zu einer freiwilligen persönlichen Anhörung zu erscheinen. Diese vorgezogene Widerrufsprüfungen hatte Ex-Innenminister Thomas de Maizière (CDU) angeordnet, nachdem sich herausgestellt hatte, dass der rechtsradikale Bundeswehrsoldat Franco A. als syrischer Bürgerkriegsflüchtling anerkannt worden war.

Im Bamf werden für die Widerrufsprüfungen aktuell rund 370 der 6770 Vollzeitstellen eingesetzt - und es sollen noch mehr werden. Weitere Kollegen unterstützen sie bei den Gesprächen mit den Flüchtlingen. „Widerrufs- und Rücknahmeverfahren nehmen einen immer größer werden Platz in der Arbeit des Bundesamts ein“, teilte ein Sprecher mit.

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