Asylstreit Seehofer erklärt Konflikt mit Merkel für erledigt

Nach wochenlangen Tauziehen im Asylstreit geht die Union wieder zur Tagesordnung über. Die Erwartungen an den Masterplan Migration sind hoch.

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Berlin CSU-Chef Horst Seehofer hält den Streit mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) über die Asylpolitik für erledigt. „Wir schauen nach vorne“, sagte der Bundesinnenminister der „Bild am Sonntag“. „Ich sage immer: Die Windschutzscheibe ist größer als der Rückspiegel. Daran haben wir uns beide immer gehalten.“ Wenn die Vereinbarungen der großen Koalition und die Vorschläge aus seinem „Masterplan“ umgesetzt würden, „werden dauerhaft weniger Asylbewerber nach Deutschland kommen“, sagte Seehofer voraus.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sieht den Asylkompromiss auch als Chance, die AfD zu schwächen. „Auf jeden Fall drängt es die AfD zurück“, sagte er der „Welt am Sonntag“.

Die jüngste Umfrage zeigt das Gegenteil: Im aktuellen Sonntagstrend von Emnid für die „Bild am Sonntag“ steigt die AfD binnen Wochenfrist um drei Punkte auf den Rekordwert von 17 Prozent. Sie ist damit erstmals so stark wie die SPD, die um zwei Zähler nachgibt. Auch die CDU/CSU verliert zwei Punkte, nur noch 30 Prozent würden aktuell die Union wählen.

Seehofer will seinen „Masterplan Migration“ an diesem Dienstag vorstellen. An der Ursprungsfassung hatte sich der heftige Asylstreit zwischen CDU und CSU entzündet. Seehofer hatte darin vorgesehen, dass anderswo in der EU bereits registrierte Asylbewerber an der deutschen Grenze zurückgeschickt werden sollten. Merkel lehnte dies ab. Der Konflikt, in dessen Verlauf Seehofer mit Rücktritt gedroht hatte und die Unionsgemeinschaft an den Rand des Bruchs geraten war, wurde erst vergangene Woche abgeräumt.

Nach dem Kompromiss von CDU, CSU und SPD sollen nun ausschließlich Asylbewerber, die bereits in einem anderen EU-Land einen Asylantrag gestellt haben, an der deutsch-österreichischen Grenze zurückgewiesen werden - und das auch nur auf Grundlage von Vereinbarungen mit Ersteinreiseländern und mit Österreich, die erst noch ausgehandelt werden müssen. Ob solche Absprachen gelingen, ist ungewiss.

Seehofer vertrat gleichwohl die Ansicht, der Kompromiss markierte eine Asylwende in Deutschland: „Wir senden damit das Signal in die Welt, dass sich illegale Migration nicht mehr lohnt.“ Entscheidend sei, dass die Regierung endlich handele. Dass die geplanten Maßnahmen nur relativ wenige Migranten beträfen, sei zweitrangig.

Mit der Kanzlerin habe er eine inhaltliche Auseinandersetzung gehabt. Er könne „selbstverständlich“ weiter vertrauensvoll mit Merkel zusammenarbeiten. „Das ist ja auch unsere Pflicht und Verantwortung gegenüber der Bevölkerung“, sagte der CSU-Chef der „Bild am Sonntag“. „Niemand von uns hat den Fortbestand der Regierung in Frage gestellt - zu keinem Zeitpunkt.“

Seehofer hatte auf dem Höhepunkt des Streits seinen Rücktritt als Innenminister angedroht und Merkel schwere Vorwürfe gemacht. „Ich lasse mich nicht von einer Kanzlerin entlassen, die nur wegen mir Kanzlerin ist“, sagte er „Süddeutschen Zeitung“ kurz vor dem Treffen, bei dem CDU und CSU schließlich einen Kompromiss fanden.

Söder verteidigte den umstrittenen Begriff „Asyltourismus“, den die CSU auf dem Höhepunkt des Streits geprägt hatte. „Die Bevölkerung versteht das Wort 'Asyltourismus' leider sehr genau“, sagte er der „Welt am Sonntag“. Die Menschen hätten kein Verständnis dafür, dass Migranten wieder nach Deutschland kämen, die bereits mit einem Einreiseverbot belegt seien. „Ein Großteil der Bürger fragt sich außerdem: Wieso soll jemand, der einen Asylantrag in Spanien gestellt hat, sein Verfahren in Deutschland betreiben?“

Die SPD-Partei- und Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles warf Söder und auch der stellvertretenden CDU-Vorsitzenden Julia Klöckner dagegen vor, mit einer solchen Wortwahl Ressentiments gegen Flüchtlinge zu schüren und sich einer AfD-Rhetorik zu bedienen. „Wenn Herr Söder und Frau Klöckner von 'Asyltourismus' sprechen, reden sie wie die AfD. Das verschiebt Maßstäbe, verletzt Werte, bedient Ressentiments“, sagte Nahles der „Welt am Sonntag“. Klöckner hatte den Begriff in einem ARD-Interview aufgegriffen.

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