Atom-Reserve Wirtschaftsweise Grimm kritisiert Habecks Atomwende scharf

Wirtschaftsminister Robert Habeck und Wirtschaftsweise Veronika Grimm Quelle: dpa Picture-Alliance

Veronika Grimm hält die Entscheidung des Wirtschaftsministers für „absolut unverständlich“. Es müssten angesichts der Krise alle Kapazitäten mobilisiert werden – über Jahre hinaus.

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Die Ökonomin Veronika Grimm ist erst im April von der Bundesregierung für eine neue Amtszeit im Sachverständigenrat berufen worden. Als Fachfrau für Energiepolitik genießt die Professorin der Universität Erlangen-Nürnberg allseits viel Respekt – auch bei den Grünen. An anderen Personalien im Rat der Wirtschaftsweisen entzündeten sich schon mal heftige Kontroversen – bei Grimm war das anders.

Umso bemerkenswerter ist die scharfe Klarheit, mit der sie die jüngsten Entscheidungen der Regierung – und insbesondere die von Wirtschaftsminister Robert Habeck – kritisiert. Es begann mit der Ankündigung Habecks, den deutschen Strommarkt neu zu regulieren, um Gewinne abzuschöpfen. Mittlerweile steht die ganze Ampelkoalition hinter dem Plan. Der Vorschlag käme allerdings „zur Unzeit, weil er neue Unsicherheit schürt“, sagte Grimm bereits vergangene Woche.

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Das Vorhaben sei zudem heikel. „Ich sehe bisher keine Alternative, die tatsächlich besser wäre. Jede Form der Deckelung oder Kappung von Preisen bedeutet auch, dass Investitionsanreize fehlen“, warnte Grimm. „Die wiederum müssten dann durch mehr staatliche Eingriffe und Förderung ersetzt werden. Dem sind jedoch fiskalisch enge Grenzen gesetzt, das würde nicht gutgehen. Auch ob das der effizientere Weg ist – daran habe ich erhebliche Zweifel.“ Das saß. Zumal auch Ökostromanbieter bereits ihre großen Zweifel zu Protokoll geben.

Gestern Abend dann die nächste kontroverse Entscheidung aus dem Hause Habeck: Zwei der drei noch am Netz befindlichen Atomkraftwerke (AKW) sollen als Notreserve über den 31. Dezember hinaus in Bereitschaft bleiben – um im Fall der Fälle die Netzstabilität sichern zu können. Einer echten Laufzeitverlängerung erteilte der grüne Minister hingegen eine klare Absage: mit ihm nicht.

Auch diese Entscheidung sorgt bei der Wirtschaftsweisen nun für mehr als nur Stirnrunzeln: „Dass die AKWs nur in Reserve gehalten werden sollen, ist bei der kritischen Lage am Strommarkt absolut unverständlich. Es muss ja auch mit Blick auf das Preisniveau sämtliche verfügbare Kapazität mobilisiert werden“, sagte Grimm der WirtschaftsWoche. Dazu gehörten die Kohlekraftwerke, aber auch die Atomkraftwerke. 

Die Meiler sollten laufen und nicht nur in Bereitschaft verharren, wie es aktuell geplant ist. Denn, so Grimm, „nur dann gibt es einen senkenden Effekt auf den Strompreis“. Bei der aktuellen Lösung entstünden hingegen nur Kosten, aber der Nutzen würde nicht realisiert. Aus Grimms Sicht sollte „bei den drei noch laufenden AKWs über eine Laufzeitverlängerung von fünf Jahren“ nachgedacht werden. Auch sollte geprüft werden, ob Kraftwerke reaktiviert werden können, die kürzlich erst stillgelegt wurden. 

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Grimm verweist auch darauf, dass der Ausbau der Erneuerbaren deutlich langsamer geschehen könnte als von der Regierung erhofft – trotz verschiedener Beschleunigungsversuche. Und da der Stromverbrauch bis 2030 deutlich steigen werde, sinke auch der Bedarf an konventionellen Kraftwerken – also vor allem Kohle und Gas, aber eben unter Umständen auch Atom – eben gerade nicht

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