Atomausstieg „Deutschland trifft eine mutige Entscheidung, die Risiken mit sich bringt“

Der Kühlturm des Atomkraftwerks Isar 2 (Block 2). Am Samstag werden die letzten deutschen Meiler abgeschaltet.

Die letzten deutschen Atommeiler gehen vom Netz. Auch im Ausland sorgt diese Entscheidung für Aufsehen. Der spanische Klimaforscher Antonio Aretxabala glaubt, dass Deutschland viel früher mit der Energiewende hätte beginnen sollen. Jetzt gäbe es viele Kollateralschäden.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Antonio Aretxabala ist ein Mann der klaren Worte, ein häufiger Gast bei internationalen Konferenzen im Bereich Energie und Klimawandel und Berater von Institutionen und Unternehmen. Kurzum: Er ist einer, der sich auskennt mit den Energiewirtschaften dieser Welt. Doch deutsche Energiepolitik hat der spanische Wissenschaftler nach eigenen Worten nie richtig verstanden. Den blinden Ausbau von Windparks genauso wenig wie das Behalten der Kohle-Kraftwerke. Den Ausstieg aus der Nuklearenergie hält er jedoch für mutig. Als Professor für Bodenmechanik, Geomorphologie und Geotechnik glaubt er, dass die Ressourcenverknappung letztendlich alle Staaten auf deutschen Weg bringen wird.  

WirtschaftsWoche: Was halten Sie davon, dass am Samstag die letzten Atomkraftwerke in Deutschland abgeschaltet werden?
Antonio Aretxabala: Es ist eine mutige Entscheidung, die kurzfristig viele Risiken und Opfern mit sich bringen wird, langfristig aber Vorteile. Der Rest der Staaten wird folgen, früher oder später. Klüger wäre es jedoch gewesen, die Energiewende schon in den 70er-Jahren einzuleiten, dann müsste jetzt nicht so irrational gehandelt werden, dass Nuklearenergie durch Kohle ersetzt wird. Seien wir nicht naiv – hinter dieser deutschen Entscheidung, aus der Nuklearenergie auszusteigen, stecken knallharte Fakten: Es gibt immer weniger Uran. Und es ist auch keine wirklich effiziente Energie – nicht zu vergleichen mit den billigen und hocheffizienten fossilen Brennstoffen, die uns ebenfalls ausgehen und die uns politisch abhängig machen. Die deutschen Entscheidungen beruhen auf Studien und haben weniger einen umweltpolitischen Hintergrund. Die Anreicherung von Uran erfolgt übrigens zu einem Großteil in Russland, was auch zu diesem Schritt geführt hat.

Welche Opfer wird Deutschland jetzt bringen müssen?
Das Land wird nicht mehr wachsen können. Im Gegenteil: Die Wirtschaft wird schrumpfen, weil nicht genug günstige Energie zur Verfügung steht. Die Öfen der deutschen Schwerindustrie können nicht mit Windenergie und grünem Wasserstoff in diesem Maße am Laufen gehalten werden, das ist eine Illusion. Fossile Brennstoffe werden teurer, sind knapp und führen zu nicht gewollten geostrategischen Abhängigkeiten. Das hat natürlich alles soziale und wirtschaftliche Folgen für die Deutschen. Aber wir werden alle an diesen Punkt kommen.

Antonio Aretxabala hat die deutsche Energiepolitik nie richtig verstanden.

Zur Person

Ist die aktuelle deutsche Regierung daran schuld?
Es ist kein Prozess, den eine bestimmte Regierung herbeigeführt hat. Es ist die Konsequenz der aktuellen Ressourcenknappheit. Es gibt kein grünes Wachstum. Es ist irreführend, den Menschen zu verstehen zu geben, dass wir wachsen können, ohne Rohstoffe zu verbrauchen. Der Klimawandel ist nur eine der Auswirkungen der wirtschaftlichen Expansion und der Globalisierung. Wir dürfen das Massensterben Tausender Arten nicht aus den Augen verlieren, die für uns kostenlose Ökosystemarbeit leisten, um die Umwelt zu erhalten, die unsere Existenz garantiert. Das Massensterben der Insekten, von denen wir für die Bestäubung abhängig sind, ist eine Katastrophe, ganz zu schweigen von den mehr als 250 Millionen Spatzen, die seit den 80er-Jahren gestorben sind. Wir werden das alles teuer bezahlen. Auch die Landwirtschaft wird sich radikal ändern müssen. Sie hat die Böden zerstört und zum Beispiel in Spanien nicht vorhandenes Wasser verschwendet, was jetzt wiederum einen Einfluss auf unser aller Leben hat. Wir handeln derzeit einfach nicht effizient mit dem ganzen Müll, den wir produzieren.

Neue Fondsmanager Managerwechsel in der Fondsbranche: Was Anleger wissen sollten

Milliardenschwere deutsche Fonds haben neue Manager bekommen. Ein bekanntes Team geht nicht freiwillig. Anleger sollten handeln.

Energiekosten „Es wird in Deutschland keinen billigen Strom mehr geben“

Wie teuer wird die Energiewende künftig für Haushalte und Betriebe? ZEW-Präsident Achim Wambach warnt vor langfristigen Kostentreibern – und fordert einen völlig neuen Preismechanismus in Deutschland.

Bankgebühren So wehren sich Bankkunden gegen steigende Kontogebühren

Wenn Banken ihre Kontogebühren erhöhen, müssen sie sich an gesetzliche Regeln halten. Tun sie das nicht, können sich Kunden dagegen wehren.  

 Weitere Plus-Artikel lesen Sie hier

Wird Deutschland langfristig einen Vorteil haben von dem Ausstieg aus der Nuklearenergie?
Langfristig auf jeden Fall, kurz- und mittelfristig sind viele wirtschaftliche Anpassungen notwendig, die andere Staaten erst später machen müssen, aber sie werden auch nicht drum herumkommen. Um diese Energiewende wirklich nachhaltig zu gestalten, hätte sie eigentlich noch viel radikaler ausfallen müssen, aber das ist sozial schwer durchzusetzen. Deutschland war mutig, diesen Schritt in der aktuell schwierigen wirtschaftlichen und politischen Situation wie von Angela Merkel geplant durchzuziehen, auch wenn dieser Schritt nur halbherzig geschah, weil erstmal weiter Kohle verbrannt wird.

Lesen Sie auch: Mehrheit der Deutschen hält Atomausstieg für falsch 

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%