Atommüll Kabinett billigt Bericht über Entsorgung von deutschem Atommüll

Deutschland will bis 2022 schrittweise aus der Kernenergie aussteigen. Doch wenn der letzte Reaktor vom Netz geht, werden die Probleme noch lange nicht gelöst sein.

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Quelle: dpa

Das Bundeskabinett hat einen umstrittenen Bericht des Umweltministeriums zur Lagerung von abgebrannten Brennelementen und radioaktiven Abfällen gebilligt. Das Nationale Entsorgungsprogramm muss bis zum 23. August bei der Europäischen Kommission vorliegen. Es steht allerdings noch unter Vorbehalt.

Denn erstens steht demnächst die 14. Novelle des Atomgesetzes an. Zweitens könnte ein Teil der jetzt vorgelegten Planung durch die Empfehlungen der vom Bundestag eingesetzten Endlagerkommission über den Haufen geworfen werden. Die Kommission soll ihren Bericht zur Suche nach einem geeigneten Endlager-Standort im Juni 2016 vorlegen.

Nicht nur der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hatte an einem im Januar veröffentlichten Entwurf für das „Nationale Entsorgungsprogramm“ deutliche Kritik geübt. Widerstand kam damals auch aus Salzgitter, wo das bisher einzige deutsche Atommüll-Endlager Schacht Konrad entsteht. Dort will man unter anderem verhindern, dass in dem Schacht neben den bisher genehmigten 303 000 Kubikmetern radioaktiver Abfälle zusätzlich noch bis zu 220 000 Kubikmeter Abfälle aus der maroden Schachtanlage Asse in Niedersachsen untergebracht werden. Auch eine Einlagerung von 100 000 Kubikmeter Abfall aus der Urananreicherungslage in Gronau ist im Gespräch.

Die lange Suche nach einem Atommüllendlager

Hendricks betonte zwar, vor einer Entscheidung wolle man auch dazu die Meinung der Endlagerkommission anhören. Außerdem wäre für eine etwaige Erweiterung ein neues Planfeststellungsverfahren notwendig. Trotzdem hielt die Arbeitsgemeinschaft Schacht Konrad an ihrer Kritik fest. „So gewinnt man kein Vertrauen“, erklärt Vorstand Ludwig Wasmus nach dem Kabinettsbeschluss.

Auch ohne eine Erweiterung der Lagerstätte in dem ehemaligen Eisenerzbergwerk steigen die Kosten für Planung, Ausbau, Einlagerung und Stilllegung von Schacht Konrad weiter an. In dem Bericht an die EU wird jetzt eine Summe von insgesamt 7,5 Milliarden Euro genannt, die weit über früheren Schätzungen liegt.

Auf einige kritische Fragen - etwa die nach einer gesicherten Finanzierung der Entsorgung durch die Betreiber der Atomkraftwerke - liefert der Bericht wenig konkrete Antworten. Um dieses Thema kümmert sich derzeit Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD). Konkret besteht die Sorge, dass sich ein Teil der von den AKW-Betreibern für die Entsorgung gebildeten Rückstellungen in dem Moment, wenn die Kosten tatsächlich anfallen, verflüchtigt haben könnten. Die Konzerne müssten für Kosten und Sicherheit dauerhaft gerade stehen, anstatt sich „im Krebsgang wegzuducken“, forderte der Geschäftsführer des Bundesverbands Erneuerbarer Energien, Hermann Falk.

Diese Länder setzen (noch) auf Atomenergie
Hokkaido Electric Power's Tomari nuclear power station at Tomari village in Japan's northern island of Hokkaido. Quelle: dpa
Kuehlturm von Block 2 (r.) und die Reaktoren Block 2 (l.) und Block 1 (M.) des Kernkraftwerk Isar Quelle: dapd
Mitglieder der Aktion "Bern ohne Atomkraftwerk" fahren am Dienstag, 2. August 2005, vor dem Bundeshaus in Bern, Schweiz, mit einem fiktiven Atommuelltransporter auf Quelle: AP
Arbeiter gehen am 15.04.2008 an der Baustelle des größte Atomkraftwerk der Welt in Olkiluoto/Finnland vorbei Quelle: dpa
Kernkraftwerk Sellafield in Nordwestengland Quelle: dapd
Aljona Kirssanowa, die bei einer früheren Wahl zur "Miss Atom" das Motto «Atomkraft macht sexy» auf die Spitze trieb. D Quelle: dpa
Warsaw's skyline is reflected in the icy Vistula river as sun sets Quelle: dapd

Zum Zeitplan heißt es in Hendricks Bericht, das Endlager für hochradioaktive Abfälle solle „um das Jahr 2050“ in Betrieb gehen. Viele Experten glauben allerdings, dass es noch deutlich später werden könnte. Doch wohin dann mit dem Atommüll? Denn die Zulassung einiger Zwischenlager läuft schon früher aus.

Hendricks setzt auf eine Doppelstrategie. Einerseits will man sich um eine Verlängerung der Genehmigung einzelner Zwischenlager bemühen. Auch soll am Standort des - noch zu suchenden - Endlagers für hochradioaktive Abfälle zusätzlich ein „Eingangslager“ entstehen. Dort sollen Castor-Behälter bis zu ihrer Verlegung in das Endlager aufbewahrt werden.

Das bayerische Umweltministerium trat am Mittwoch Spekulationen entgegen, Bayern wolle sich bei der Lagerung von Atommüll aus der Verantwortung stehlen. „Die Endlagersuche erfolgt in einem ergebnisoffenen Prozess“, betonte ein Sprecher. Die CSU sträubt sich bislang gegen die Einrichtung eines Zwischenlagers für 26 Behälter mit in Frankreich und Großbritannien wiederaufbereitetem Atommüll im Freistaat. Sie führe in dieser Sache aber derzeit „gute Gespräche mit Bayern“, sagte Hendricks.

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