Das Bundeskabinett hat einen umstrittenen Bericht des Umweltministeriums zur Lagerung von abgebrannten Brennelementen und radioaktiven Abfällen gebilligt. Das Nationale Entsorgungsprogramm muss bis zum 23. August bei der Europäischen Kommission vorliegen. Es steht allerdings noch unter Vorbehalt.
Denn erstens steht demnächst die 14. Novelle des Atomgesetzes an. Zweitens könnte ein Teil der jetzt vorgelegten Planung durch die Empfehlungen der vom Bundestag eingesetzten Endlagerkommission über den Haufen geworfen werden. Die Kommission soll ihren Bericht zur Suche nach einem geeigneten Endlager-Standort im Juni 2016 vorlegen.
Nicht nur der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hatte an einem im Januar veröffentlichten Entwurf für das „Nationale Entsorgungsprogramm“ deutliche Kritik geübt. Widerstand kam damals auch aus Salzgitter, wo das bisher einzige deutsche Atommüll-Endlager Schacht Konrad entsteht. Dort will man unter anderem verhindern, dass in dem Schacht neben den bisher genehmigten 303 000 Kubikmetern radioaktiver Abfälle zusätzlich noch bis zu 220 000 Kubikmeter Abfälle aus der maroden Schachtanlage Asse in Niedersachsen untergebracht werden. Auch eine Einlagerung von 100 000 Kubikmeter Abfall aus der Urananreicherungslage in Gronau ist im Gespräch.
Die lange Suche nach einem Atommüllendlager
Am 11. November 1976 bringt der niedersächsische Wirtschafts- und Finanzminister Walther Leisler Kiep (CDU) laut eigenen Aufzeichnungen Gorleben ins Spiel. Zuvor waren die Salzstöcke Wahn, Lutterloh und Lichtenhorst (alle Niedersachsen) favorisiert worden.
Die niedersächsische Landesregierung unter Ernst Albrecht (CDU) beschließt, in Gorleben an der Grenze zur damaligen DDR ein nukleares Entsorgungszentrum zu gründen. Ein transparentes Auswahlverfahren fehlt - die Hoffnung ist auch, dass der arme Kreis Lüchow-Dannenberg durch Investitionen der Atomindustrie einen Aufschwung erfährt.
Tiefbohrungen beginnen, um den Salzstock auf seine Eignung als Atommüllendlager zu erkunden.
Die Bauarbeiten für das oberirdische Zwischenlager Gorleben starten. Es liegt nur einige hundert Meter entfernt vom Salzstock.
Die Erkundung des Salzstocks unter Tage beginnt. SPD und Grüne werfen der Regierung von CDU-Kanzler Helmut Kohl vor, politischen Einfluss bei der Durchsetzung von Gorleben genommen zu haben. 2010 wird dazu ein Bundestags-Untersuchungsausschuss eingerichtet.
Von massiven Protesten begleitet, trifft im oberirdischen Zwischenlager der erste Castor-Behälter mit Atommüll ein.
Nach dem Regierungswechsel richtet Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) den Arbeitskreis Auswahlverfahren Endlagerstandorte (AK End) ein. Er soll Ideen für ein neues Suchverfahren entwickeln.
Im Atomkonsens vereinbart die rot-grüne Bundesregierung mit den Stromversorgern den Ausstieg aus der Kernenergie. Die Erkundung in Gorleben wird bis spätestens 2010 ausgesetzt.
Trittin legt einen Entwurf für ein Standortauswahlgesetz vor: In einem bundesweiten Verfahren sollen neben Gorleben auch andere Standorte untersucht werden. Die Neuwahl lässt den Plan scheitern.
Nach der Wahl vereinbart die große Koalition, das Problem „zügig und ergebnisorientiert“ zu lösen. Während die Union an Gorleben festhält, fordert Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) ein neues Auswahlverfahren. Es gibt keinen Fortschritt.
Norbert Röttgen (CDU), Bundesumweltminister in der seit 2009 amtierenden schwarz-gelben Bundesregierung, teilt die Aufhebung des Erkundungsstopps mit. Gorleben habe weiter „oberste Priorität“.
Am 30. Juni 2011 beschließt der Bundestag den Atomausstieg bis 2022. Über Gorleben hinaus sollen andere Endlager-Optionen geprüft werden. Bayern und Baden-Württemberg zeigen sich offen für eine neue Suche.
Bei zwei Spitzentreffen von Bund und Ländern gibt es Fortschritte. Eine Einigung scheint zum Greifen nahe.
Die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen wird für den CDU-Spitzenkandidaten Röttgen zum Debakel. Er wird von Kanzlerin Angela Merkel entlassen. Nachfolger wird Peter Altmaier (CDU).
SPD und Grüne werfen Altmaier vor, eine Lösung zu verzögern - aber beide Parteien lähmen selbst den Prozess, weil sie uneinig sind, was den künftigen Umgang mit Gorleben betrifft.
Am 27. September 2012 weist Merkel vor dem Gorleben-Untersuchungsausschuss Vorwürfe zurück, sie habe in ihrer Zeit als Umweltministerin in den 1990er Jahren versucht, Gorleben als Endlager durchzudrücken.
Am 20. Januar 2013 gewinnt Rot-Grün die Landtagswahl in Niedersachsen, SPD und Grüne in Hannover wollen ein Aus für Gorleben durchsetzen.
Am 24. März 2013 gelingt Altmaier ein vorläufiger Durchbruch: Bis 2015 soll eine aus 24 Personen bestehende Enquetekommission Grundlagen und Vergleichskriterien für die Suche erarbeiten. Gorleben soll im Topf bleiben - Niedersachsen setzt aber auf ein rasches Ausscheiden. In einem Suchgesetz soll festgelegt werden, dass am Ende zwischen den beiden besten Optionen entschieden wird. Atommülltransporte in das Zwischenlager Gorleben soll es vorerst nicht mehr geben.
Hendricks betonte zwar, vor einer Entscheidung wolle man auch dazu die Meinung der Endlagerkommission anhören. Außerdem wäre für eine etwaige Erweiterung ein neues Planfeststellungsverfahren notwendig. Trotzdem hielt die Arbeitsgemeinschaft Schacht Konrad an ihrer Kritik fest. „So gewinnt man kein Vertrauen“, erklärt Vorstand Ludwig Wasmus nach dem Kabinettsbeschluss.
Auch ohne eine Erweiterung der Lagerstätte in dem ehemaligen Eisenerzbergwerk steigen die Kosten für Planung, Ausbau, Einlagerung und Stilllegung von Schacht Konrad weiter an. In dem Bericht an die EU wird jetzt eine Summe von insgesamt 7,5 Milliarden Euro genannt, die weit über früheren Schätzungen liegt.
Auf einige kritische Fragen - etwa die nach einer gesicherten Finanzierung der Entsorgung durch die Betreiber der Atomkraftwerke - liefert der Bericht wenig konkrete Antworten. Um dieses Thema kümmert sich derzeit Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD). Konkret besteht die Sorge, dass sich ein Teil der von den AKW-Betreibern für die Entsorgung gebildeten Rückstellungen in dem Moment, wenn die Kosten tatsächlich anfallen, verflüchtigt haben könnten. Die Konzerne müssten für Kosten und Sicherheit dauerhaft gerade stehen, anstatt sich „im Krebsgang wegzuducken“, forderte der Geschäftsführer des Bundesverbands Erneuerbarer Energien, Hermann Falk.
Zum Zeitplan heißt es in Hendricks Bericht, das Endlager für hochradioaktive Abfälle solle „um das Jahr 2050“ in Betrieb gehen. Viele Experten glauben allerdings, dass es noch deutlich später werden könnte. Doch wohin dann mit dem Atommüll? Denn die Zulassung einiger Zwischenlager läuft schon früher aus.
Hendricks setzt auf eine Doppelstrategie. Einerseits will man sich um eine Verlängerung der Genehmigung einzelner Zwischenlager bemühen. Auch soll am Standort des - noch zu suchenden - Endlagers für hochradioaktive Abfälle zusätzlich ein „Eingangslager“ entstehen. Dort sollen Castor-Behälter bis zu ihrer Verlegung in das Endlager aufbewahrt werden.
Das bayerische Umweltministerium trat am Mittwoch Spekulationen entgegen, Bayern wolle sich bei der Lagerung von Atommüll aus der Verantwortung stehlen. „Die Endlagersuche erfolgt in einem ergebnisoffenen Prozess“, betonte ein Sprecher. Die CSU sträubt sich bislang gegen die Einrichtung eines Zwischenlagers für 26 Behälter mit in Frankreich und Großbritannien wiederaufbereitetem Atommüll im Freistaat. Sie führe in dieser Sache aber derzeit „gute Gespräche mit Bayern“, sagte Hendricks.