Atommüll Stop and Go(rleben)

Der Salzstock in Niedersachsen ist als Endlager für hoch radioaktiven Atommüll aus dem Rennen – erstmal, aber längst nicht endgültig.

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Ein Hinweisschild mit der Aufschrift

Im Wendland kann sich erstmal wieder etwas Idylle ausbreiten. Die Bergleute müssen sich auf Kurzarbeit einstellen, die Bauern können ihre Trecker wieder auf die Äcker lenken, die Demonstranten dürfen sich für den Ostermarsch endlich mal ein neues Ziel suchen: Die Untertage-Erkundung in Gorleben, ob sich der dortige Salzstock als Endlager für hoch radioaktiven Atommüll eignet, wird bis auf weiteres eingestellt. Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) will so den Streit mit den Ländern über den völligen Neuanfang bei der Endlagersuche entschärfen.

Arbeiten in Gorleben sollen ruhen

Seit Jahrzehnten gab es die Proteste in Gorleben, seit Monaten verhandelten Bund und Länder über die „ergebnisoffene“ Suche nach Alternativstandorten. Seit im Salzstock Asse – dort lagert offiziell gering radioaktiver Abfall, allerdings auch heimlich abgekippter gefährlicherer Müll – Wasser einsickert und das Lager einzustürzen droht, ist die Lagerung in Salz umstrittener denn je. Also sollen auch andere Gesteine erneut untersucht werden. Das freilich ist nur glaubwürdig - und darauf drängte insbesondere das Land Niedersachsen -, wenn nicht in Gorleben weitergemacht würde wie bisher. Deshalb sollen nun die Arbeiten dort auf Jahre ruhen, bis andere mögliche Lagerstätten vor allem in Süddeutschland erkundet sind. Freilich wird nun schon gestritten, ob und wie und wann der Salzstock wieder in den Vergleich mit anderen Optionen einbezogen wird.

Ewiges Stop and Go
Es ist nicht der erste Stopp in Gorleben. Schon die rotgrüne Bundesregierung hatte einst ein so genanntes Moratorium verfügt und damit die weitere Erkundung im Salzstollen eingestellt. Erst SPD-Umweltminister Sigmar Gabriel hob zu Zeiten der großen Koalition den Stopp wieder auf, die Untersuchung konnte fortgesetzt werden. Nun gibt es also wieder Stillstand. Immerhin geht es jetzt nicht mehr darum, vollständige Untätigkeit in Sachen Entsorgung zu organisieren. Denn mit der Suche nach alternativen Standorten wird zumindest die Sachdebatte fortgeführt – auch wenn heute noch niemand weiß, wie sie einmal enden wird.

Es gibt keine Alternative

Teilnehmer einer Demonstration gegen das Atommuellendlager Gorleben Quelle: dapd

Die Grünen wissen allerdings angeblich heute schon, dass Gorleben untauglich ist. Das Problem: Eine Ersatzlösung können auch sie nicht vorweisen. Und durch die ethisch-moralischen Festlegungen ist die Auswahl ohnehin stark eingeschränkt:


  • Aus dem Blickwinkel der höchsten Sicherheit wäre es wünschenswert, den weltweit optimalen Standort auszuwählen und dort den globalen Atommüll einzulagern. Doch welcher Staat würde sich da schon gern als Welt-Kippe anbieten? Zudem sind sich hierzulande zumindest alle politischen Kräfte einig, dass radioaktiver Abfall aus deutschen Betrieben auch in Deutschland entsorgt werden muss.

  • Also kommen nur noch Standorte in Deutschland in Frage. Auch da ist technisch hoch umstritten, welches Lagermedium wohl das beste wäre. Manche Experten schwören auf Salz – so kam man ja auf Gorleben -, andere bevorzugen Granit, die dritten Ton. Insofern können sich schon die Wissenschaftler nicht auf „das Beste“ einigen. Wie sollen es dann die Politiker nach wissenschaftlichen Kriterien tun? Nach politischen Kriterien – nämlich dort, wo der Widerstand am geringsten oder die Zahl der zu verprellenden Wähler am kleinsten ist – hätte man auch schon jetzt entscheiden können.

  • Von der Logik her ist „der beste Standort“ ohnehin nie endgültig zu finden, denn stets lassen sich neue geologische Erkenntnisse gewinnen oder durch technischen Fortschritt neue Lösungen ermitteln. Insofern muss irgendwann ein Schlussstrich gezogen und gebaut werden, möchte man nicht auf Ewigkeit auf ein Endlager verzichten.

Das alles führt aber zu einem erheblichen politischen Legitimationsproblem. Denn man muss dem Bürger erklären: Die strahlende Fracht kommt nicht in das beste und sicherste Lager, sondern allenfalls in ein gutes oder das derzeit nach Mehrheitsmeinung beste in Deutschland. Vertrauen lässt sich so nur schwer gewinnen. Es lässt sich aber nicht steigern, wenn man nun schon vorschnell erklärt, dass es Gorleben auf keinen Fall sein kann. Denn was tun wir, wenn die Alternativen in Ton und Granit sich als schlechter erweisen?

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