Ausblick Finanzkrise: Wer gewinnt und wer verliert

Die Welt rauscht von der Finanzdepression in die Wirtschaftsrezession. Im Umbruch setzt Bundeskanzlerin Angela Merkel auf eine neue Deutschland AG. Die Linke ruft wieder nach dem Staat. Das weckt ungute Gefühle. Denn im Kern sind deutsche Unternehmen gut gerüstet. Eine Aussicht auf Gewinner und Verlierer der Krise.

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Krisenmanager Merkel und Steinbrück Quelle: laif

Es war ein bisschen wie zur guten alten Zeit der Deutschland AG. Bei Steak und Pommes Frites trafen sich vergangenen Dienstagabend die Vorstandschefs der wichtigsten deutschen Dax-Konzerne sowie einige Mittelständler, um gemeinsam mit Bundeskanzlerin Angela Merkel Wege aus der drohenden Konjunkturkrise zu diskutieren. Bis kurz vor Mitternacht tagte die 30-köpfige Runde im Kanzleramt, zu der auch Wirtschaftsminister Michael Glos und Finanzminister Peer Steinbrück gestoßen waren, und zeichnete ein düsteres Bild der Lage.

Für die Politiker, die teilweise immer noch glaubten, Deutschland könnte sich mit einem blauen Auge aus der Krise davonstehlen, waren zwei Eindrücke entscheidend: Erstens ist die Lage der deutschen Wirtschaft ernster als die Regierung bislang wahrhaben wollte. In der Automobilbranche, so die anwesenden Dieter Zetsche (Daimler), Martin Winterkorn (VW) und Norbert Reithofer (BMW), schlittert man in eine Krise, im Mittelstand brechen die Auftrags-Neueingänge weg, bei Transport und Logistik sinken die Frachtraten dramatisch, die Luftfahrtindustrie fürchtet Zahlungsprobleme bei einzelnen Fluggesellschaften und der Handel ist noch so weit am Anfang des Tunnels, dass man hinten kein Licht sieht. Zweitens haben die Verbandsvertreter in Berlin, insbesondere Industrie-Präsident Jürgen Thumann (BDI) oder auch Maschinenbau-Präsident Manfred Wittenstein (VDMA) offenbar ein zu schönes Bild der Lage gezeichnet.

Die Autobosse wurden in der Runde entsprechend deutlich, baten um Unterstützung, das Mindeste aber sei, dass es vor allem aus Brüssel keine neuen Auflagen bei Umweltstandards geben solle. In diese Richtung hatte in den vergangenen Tagen bereits Wirtschaftsminister Glos Vorstöße unternommen. Allerdings ist Merkel über diese Interventionen wenig begeistert, hat sie doch als Klima-Kanzlerin erheblichen Anteil an der scharfen EU-Politik.

Doch wie dem auch sei, man tagte lange, die Unternehmenschefs – ansonsten nicht immer der Kanzlerin wohlgesonnen – zollten der Finanzkrisenmanagerin durchaus gewissen Respekt. Eine Strategie aber, wie die drohende Rezession wenigstens abzuschwächen sei, hatten weder die Wirtschaftsvertreter noch die Kanzlerin.

Der Staat als große Verheißung

Was blieb, war die vage Hoffnung, dass Deutschland dank seines industriellen Rückgrats, seines starken produzierenden Gewerbes und seines gesunden Mittelstands tatsächlich von der globalen Rezession weniger in Mitleidenschaft gezogen werden könnte. Zu beobachten war auch, dass die Kanzlerin mit den Industriebossen weniger hart ins Gericht ging als in den Tagen zuvor mit den Bankern, die – bis auf wenige Ausnahmen – auch bei ihr persönlich viel an Glaubwürdigkeit eingebüßt haben.

So teilt sich in diesen Tagen die Welt der Politik und Wirtschaft in Gewinner und Verlierer. Im Kosmos der Berliner Politik trumpfen SPD und Linke auf, die Kritiker des Kapitalismus. Ernst-Dieter Rossmann, Sprecher der Parlamentarischen Linken in der SPD-Bundestagsfraktion, frohlockt: „Die Finanzkrise hat einen Nebeneffekt: In der gesamten Gesellschaft wird sozialdemokratischer gedacht“. Oskar Lafontaine, Galionsfigur der Linken, gratuliert hämisch den Sozialdemokraten, endlich in seiner Gedankenwelt angekommen zu sein.

Auf der anderen Seite stecken selbst sonst überzeugte Marktwirtschaftler der Union zurück. So backt Laurenz Meyer, wirtschaftspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, kleine Brötchen: „Jetzt ist nicht die Stunde der Ordnungspolitik.“ Kanzlerin Merkel redet vage von einer „menschlichen Marktwirtschaft“. Allein die FDP stemmt sich in diesen stürmischen Tagen gegen das Mantra, dass die Marktwirtschaft Verlierer und die Staatswirtschaftler als Gewinner zu akzeptieren.

Der Staat wird zu großen Verheißung – weil die Eliten der Wirtschaft, weil Manager und Verbände seit Monaten keine öffentlichkeitswirksame Antwort auf die schleichende Delegitimierung der Marktwirtschaft finden. Kein profilierter Banker – weder Ackermann von der Deutschen Bank, noch Blessing von der Commerzbank - lässt sich in diesen Tagen im Fernsehen blicken. Das ist einfache Physik. Dort wo jemand ein Vakuum hinterlässt, wird es von anderen, den Marktverächtern, konsequent gefüllt. Die Politik gaukelt den Menschen allumfassende Lösungskompetenz vor.

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