Autobahnen in Deutschland "Wer schneller baut, bekommt einen Bonus"

Die Länder wollen den Autobahnbau reformieren. Wer künftig schneller und besser baut, soll eine "Beschleunigungsvergütung" erhalten. Pendler könnten profitieren: durch weniger Baustellen und kürzere Staus.

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Stau Autobahn Quelle: AP

Wenn in der kommenden Woche die 16 Länderverkehrsminister auf einer Sondersitzung in Berlin zusammenkommen, um über den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur in Deutschland zu beraten, geht es ihnen nur um ein einziges Thema: Die „Optimierung der Auftragsverwaltung“, wie es in der Tagesordnung für den 23. Februar heißt. Mit dem kryptischen Namen ist das bisherige System des Autobahnbaus gemeint: Der Bund bezahlt, die Länder bauen – und das alles funktioniert in Deutschland bislang mehr schlecht als recht.

Nun wollen die Länder das bisherige System reformieren. Das Konzept, das eine Kommission unter dem Vorsitz von Ex-Bundesverkehrsminister Kurt Bodewig (SPD) auf der Sondersitzung vorschlagen wird, hat das Zeug, den Autobahnbau nachhaltig zu verändern. Zur Freude der Autofahrer: Sie könnten profitieren durch weniger Baustellen, kürzere Staus und mehr Straßenbau.

Denn erstmalig in der Geschichte der Bundesrepublik würde ökonomischer Sachverstand in das bürokratische System der Auftragsverwaltung fließen. Heute sagt der Bund, was wo gebaut wird. Die Länder gehen dann in die Planung, beauftragen Baufirmen und verantworten anschließend den Betrieb. Wenn dabei ein Projekt teurer wird, muss der Bund Geld nachschießen. Leider ist das bei fast allen Autobahn-Projekten der Fall. Die Länder sind heute fein raus.

Doch nun will die Bodewig-Kommission ein „Bonus-Malus-System“ einführen. Die Länder müssten künftig das Risiko einer Kostenexplosion selber tragen. Im Gegenzug könnten die Länder durch eine „Beschleunigungsvergütung“ profitieren, wie es in dem Abschlussbericht heißt, der der WirtschaftsWoche vorliegt. „Wer schneller baut, bekommt einen Bonus“, sagt Bodewig. „Wer langsamer baut oder die Qualitätsziele verfehlt, muss einen Malus hinnehmen“.

Das sind Deutschlands Problemzonen
Straßenbau: Der Investitionsstau führt zum VerkehrsinfarktDie A45 gilt als Deutschlands schönste Autobahn. Über Hügel und Täler schlängelt sie sich durch das Sauer- und Siegerland nach Hessen. Dennoch ist sie für die 10000 Lkw-Fahrer, die hier täglich unterwegs sind, ein Ärgernis: Allein im hessischen Teil gibt es ein Dutzend poröse Brücken, die mit nur 60 Stundenkilometern passiert werden müssen. Ein Abschnitt ist für schwere Lkw sogar vollständig gesperrt. Zwar hat der Staat längst begonnen, zu sanieren und zu erneuern – schließlich soll sich die Zahl der Lastwagen bis zum Jahr 2025 verdoppeln. Aber insgesamt kommt die Modernisierung viel zu langsam voran. Quelle: dpa
Das gilt für Straßen in vielen  Teilen Deutschlands. Ihr schlechter Zustand spiegelt den immensen Investitionsstau wider. Laut der Initiative „Pro Mobilität“ werden seit zehn Jahren nur rund fünf Milliarden Euro pro anno in die Bundesfernstraßen investiert. Es müssten aber mindestens acht Milliarden pro Jahr sein, zumal das Verkehrsaufkommen in den nächsten Jahren deutlich steigen wird. Quelle: dpa
Bei den kommunalen Straßen ist der Bedarf sogar noch größer. Hier müssten statt jährlich fünf Milliarden eigentlich fast zehn Milliarden Euro investiert werden, sagt Wolfgang Kugele vom ADAC. „Rund die Hälfte der Straßen weist deutliche Schädigungen wie Risse, Schlaglöcher oder Verformungen auf.“ Quelle: dpa
Schulgebäude: Kommunen fehlt Geld für überfällige SanierungenMehr als ein Schulterzucken bekommt Monika Landgraf nicht als Antwort, wenn die Vorsitzende der Dortmunder „Stadteltern“ von Stadträten mehr Investitionen in Schulen fordert. Das nötige Geld, es ist einfach nicht da. Dabei würde es dringend gebraucht: An jeder zweiten der rund 200 Dortmunder Schulen müsste investiert werden, schätzt Landgraf – denn in Klassenzimmern bröckelt der Putz von den Wänden, Toiletten sind heruntergekommen, Turnhallen völlig veraltet. Quelle: dpa
Vielen Schulen fehle außerdem der Platz, um eine – seit der Umstellung auf den Ganztagsbetrieb wichtige – Mensa einzurichten. „Wie sollen Kinder auf diese Weise gute Lernleistungen erzielen?“, fragt Landgraf. Dortmund ist eher Regel- als Einzelfall: ob im Osten oder im Westen, im Norden oder Süden: Die Bedingungen für die Schüler sind fast überall schlecht. Der bundesweite Investitionsstau bei den Schulgebäuden beträgt nach Schätzungen des Deutschen Instituts für Urbanistik 70 Milliarden Euro. Bei den Sportstätten sind es nach Angaben des Deutschen Sportbunds 40 Milliarden. Quelle: dpa
Doch nicht nur in die Gebäude, auch in die Lehre investiert Deutschland zu wenig: Mit Bildungsausgaben in Höhe von knapp fünf Prozent der Wirtschaftsleistung liegt das Land im Ranking der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) auf dem drittletzten Platz. Quelle: ap
Bahn: Manche Reisen dauern heute länger als vor dem KriegWer in Deutschland auf eine verspätete S-Bahn warten muss, wird inzwischen zumindest gut informiert. Selbst an kleinen Haltepunkten gibt es jetzt „dynamische Schriftanzeiger“, über die die aktuelle Verspätung flimmert. Rund 2800 dieser Anzeiger hat die Bahn mit Geldern der Konjunkturpakete finanziert. Doch an den vielen Zugverspätungen werden diese Zusatzinvestitionen kaum etwas ändern können: Quelle: dpa

Die finanziellen Anreize wären ein Meilenstein in der bisherigen Form der Auftragsverwaltung. Damit wollen die Länder auch der Bundesregierung zuvorkommen. Denn auch sie drängt seit Langem auf eine Reform. Anders als die Länder schlägt Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) aber eine zentrale Lösung vor. „Dem Bund gehören die Autobahnen, aber deren Verwaltung liegt in der Verantwortung der Länder“, sagt Dobrindt. Das müsse sich ändern, schließlich seien einige Länder „bei Planung und Umsetzung überfordert“, so Dobrindt. „Wir brauchen eine Bundesautobahn-Gesellschaft, die sich um Planung, Finanzierung, Bau und Betrieb kümmert.“

Die Verantwortung solle also „in einer Hand“ liegen. So in etwa machen es beispielsweise die Österreicher.

Der politische Wert des Straßenbaus

Doch die Länder wollen diesen Vorschlag nicht mittragen, weil der Straßenbau auch einen politischen Wert hat. Zudem gibt es einige Länder mit extrem effizienten Straßenbehörden wie Bayern und Hessen, die ihre Stärken nicht einfach so aus der Hand geben wollen. Unter Führung des renommierten Verkehrsexperten Frank Schmid aus Nordrhein-Westfalen ließen sie deshalb eine Alternative erarbeiten, die auf dem bisherigen Modell aufbaut und auch den Bund überzeugen soll.

„Die vom Bund favorisierte Bundesautobahngesellschaft würde in der Umsetzung mindestens zehn Jahre dauern“, sagt Bodewig. „Unser Konzept wäre in zwei bis drei Jahren realisierbar.“ Grund dafür: Anders als bei Dobrindt wäre bei der Bodewig-Lösung keine Grundgesetzänderung erforderlich, die je eine Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundesrat und Bundestag verlangen würde.

„Außerdem“, so Bodewig, „wäre eine zentrale Bundesautobahngesellschaft schnell überfordert, wenn sie neben der Finanzierung auch für den Bau und Betrieb aller Autobahnen in ganz Deutschland zuständig wäre."

Diese zehn Länder haben die beste Infrastruktur
Platz 10: FrankreichMit einem Indexwert von 6,1 landet Frankreich auf dem zehnten Platz und bildet damit das Schlusslicht der Top-Ten-Länder mit der besten Infrastruktur. Deutschland liegt mit einem Wert von 6,0 nur minimal hinter den französischen Nachbarn – und kommt somit auf Platz elf. Quelle: Reuters
Platz 9: JapanDie Skyline von Japans Mega-Metropole Tokio im dunstigen Smog: Ebenso wie Österreich und Island kommt Japan auf einen recht guten Indexwert von 6,2. Das liegt vor allem an den gut ausgebauten Bahntrassen, den vielen Häfen und Airports. Ein Auto besitzen in erster Linie nur die Japaner, die auf dem Land oder in kleineren Städten leben. Da die Metropolen wie Tokio sehr dicht bebaut sind, ist ein Parkplatznachweis nötig, um ein Fahrzeug anzumelden. Im gesamten Land sind rund 45 Millionen Autos zugelassen. Quelle: dpa
Platz 8: IslandEin Auto fährt auf der Ringstraße nahe des Fjordes Eyjafjörður. Die Ringstraße ist die längste Straße Islands und folgt grob dem Küstenverlauf. Insgesamt gibt es in Island rund 13.000 Kilometer Straßen, von denen 4331 asphaltiert sind. Somit erreicht das kleine Land im internationalen Vergleich einen Indexwert von 6,2 – ebenso wie Österreich und Japan. Quelle: obs
Platz 7: ÖsterreichEin Motorradfahrer genießt die Tour am Plansee bei Reutte. Österreichs Infrastruktur erreicht mit einem Wert von 6,2 den siebten Platz. Trotz der logistisch und klimatisch schwierigen Lage inmitten der Alpen kann das Land viele moderne Tunnel und Brücken vorweisen, die auch extremeren Witterungsbedingungen standhalten können. Durch seine schmale, aber zentrale Lage mitten in Europa gilt Österreich als typisches Transitland. Quelle: dpa
Platz 6: NiederlandeAuch Holland bekommt – ebenso wie Singapur – den Wert 6,3. Das niederländische Autobahnnetz ist beispielsweise eines der dichtesten der Welt. Das gilt ebenso für das Schienennetz, welches flächendeckend vorhanden ist. Auch das Kanalnetz der Niederlande weist optimale Bedingungen für europäischen und internationalen Schiffsverkehr auf. Quelle: AP
Platz 5: SingapurDer südostasiatische Stadt- und Inselstaat ist bekannt dafür, die großen Formel-1-Rennen auszutragen – wie hier im September 2013. Auch sonst kann Singapur eine ausgezeichnete Infrastruktur vorweisen, zu der neben gut ausgebauten Straßen auch ein riesiger Flughafen, eine eingleisige Eisenbahnverbindung, ein hoch getaktetes U-Bahnnetz sowie gigantischer Container-Umschlagplatz gehören. In ganz Singapur herrscht übrigens Linksverkehr, der noch während der britischen Kolonialzeit eingeführt wurde. Im internationalen Ranking bekommt der Stadtstadt den Indexwert 6,3. Quelle: dpa
Platz 4: FinnlandDas nordeuropäische Land kommt – genau wie die Vereinigten Arabischen Emirate – auf den guten Wert von 6,4. Das liegt vor allem daran, dass das Straßennetz im Vergleich zu der geringen Bevölkerungsdichte sehr gut ausgebaut ist. Auf diesem Bild ist das „Kiasma“, Helsinkis Museum für zeitgenössische Kunst, zu sehen. Quelle: REUTERS

Auf der Sondersitzung in der kommenden Woche muss sich Bodewig nun zunächst die Unterstützung der Verkehrsminister der 16 Bundesländer holen. „Ich sehe eine große Chance auf einen einstimmigen 16:0 Beschluss.“ Das würde auch den Druck auf den Bundesverkehrsminister erhöhen. Irgendwie müssten Bund und Länder dann zu einer Einigung kommen, ansonsten bliebe alles beim Alten. Das würde die Ineffizienz im System auf Jahre festschreiben.

Ganz ohne Durchgriff bliebe der Bund auch beim Länder-Konzept nicht. Der Bund bliebe der Besteller der Leistungen. Er würde also weiterhin bestimmen, welche Autobahnen neu gebaut werden sollen. Dies legt er derzeit etwa im Rahmen des Bundesverkehrswegeplanes fest, den der Bundestag noch in diesem Jahr verabschieden soll. Dann würde der Bund mit dem jeweiligen Land einen Vertrag aushandeln, zu welchem Preis und zu welcher Qualität ein Projekt fertig gestellt werden soll.

Das Controlling verbliebe weiterhin in der Obhut des Bundes. Dieser könnte so auch fremde Kapitalgeber wie Versicherungen und Fonds einbinden.

Während Bundesverkehrsminister Dobrindt dem Konzept kritisch gegenüber steht, dürfte zumindest Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) dem Ansinnen der Länder offen gegenüber stehen. Er wäre das leidige Risiko los, das Neubauprojekte von Autobahnen fast immer teurer werden – und der Bund nachträglich die Schatulle öffnen muss.

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