Wenn Angela Merkel am Donnerstag und Freitag beim europäischen Rat mit den anderen EU-Staats- und Regierungschefs zusammentrifft, wird wohl auch wieder über Deutschlands wichtigste Branche gestritten werden. Ob Abgasnorm Euro 7 oder die strengen Anforderungen an den durchschnittlichen Flottenverbrauch – vor allem den deutschen Herstellern graut es vor den hohen Klimazielen der EU und den neu geforderten Messmethoden bei den Abgaswerten.
Das größte Problem mit den Emissionen haben nach wie vor die Marken mit großvolumigen Motoren wie Mercedes, BMW oder Porsche. Zu lösen ist die Aufgabenstellung der EU nur dann, wenn der Anteil der Elektroautos an der neu produzierten Fahrzeugflotte rasant in die Höhe schnellt. Dafür aber fehlt es an vielem – und genau darüber wollen die Chefs der Autokonzerne BMW, Daimler und VW sowie die CEOs der großen Zulieferer wie Schaeffler oder Continental am Dienstagsabend mit der Kanzlerin reden. Mit dabei sind auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU).
Im Mittelpunkt steht die immer noch völlig unzureichende Infrastruktur mit Ladesäulen, an denen Ökostrom bezogen werden kann. Der Bund soll zu weiteren Subventionen gedrängt werden, um den Ausbau zu beschleunigen. Zwar gibt es schon Programme von Verkehrsminister Scheuer für das Laden zuhause, aber die meisten Fortschritte versprechen sich die Branchenvertreter von Ladesäulen auf Firmenparkplätzen, großen Handelsketten und im Straßennetz.
Diskutiert wird ferner über mehr Förderung bei der Entwicklung synthetischer Kraftstoffe sowie über die Behandlung des Schwerlastverkehrs. Auch bei der Reform des Emissionshandelssystem (ETS) gehen die Meinungen auseinander. Nicht jeder möchte für den Verkehrssektor ein eigenes ETS-Handelssystem. Unzufrieden ist die Autobranche auch mit den Fortschritten bei flächendeckenden Funkabdeckung. Das Netz in Deutschland sei weit davon entfernt, dem autonomen Fahren zum Durchbruch zu verhelfen, klagt ein Branchenvertreter.
Nicht zuletzt wird es beim Autogipfel um die milliardenschweren Fördertöpfe gehen, die der Bund und die EU für Zukunftsinvestitionen im Bereich Mobilität zur Verfügung gestellt haben. Die Förderrichtlinien für die zwei Milliarden Euro aus dem Corona-Konjunkturprogramm sind zwar inzwischen bekannt, aber noch nicht rechtskräftig, so dass die Mittel auch noch nicht abgerufen werden können. Hier drängt die Industrie auf mehr Tempo. Völlig offen ist noch, wie der beim letzten Autogipfel zusätzlich angekündigte „Zukunftsfonds Automobilindustrie“ in Höhe von einer Milliarde Euro konkret ausgestaltet werden wird. Hier soll Wirtschaftsminister Altmaier erste Vorschläge unterbreiten.
Nachdem sich im Zuge des Abgasskandals die Atmosphäre zwischen Politik und Autoindustrie erheblich verschlechtert hatte, ist jetzt eine deutliche Entspannung zu spüren. Im Kanzleramt werden die Bemühungen der Autobranche inzwischen positiver gesehen als noch zu Beginn des „Strategischen Dialogs“ zwischen Regierung und Industrie.
Die „Hersteller legen sich mächtig ins Zeug“, heißt es anerkennend in der Regierungszentrale. Genannt werden dabei vor allem die Elektrooffensive von VW und die erheblichen Investitionen des Unternehmens in den Bau von sechs Batteriefabriken. Es sei wichtig, dass Deutschlands Paradebranche inzwischen reagiere und Anbietern wie Tesla die Stirn biete.
Mehr zum Thema: VW und Co. versuchen hektisch, eigene Betriebssysteme zu entwickeln. Denn die Silicon-Valley-Giganten sind schon deutlich weiter – und drohen bald auch die deutsche Autoindustrie zu beherrschen.