
WirtschaftsWoche: Herr Wissmann, wird das Autojahr 2010 so schlimm, wie viele befürchten?
Wissmann: Wir stehen am Beginn eines langsamen Aufstiegs. In Deutschland wird der Absatz zwar von 3,8 Millionen auf 2,75 bis 3,0 Millionen Autos zurückgehen, nachdem die Abwrackprämie ausgelaufen ist. Weltweit gehen wir aber davon aus, dass 2010 etwa 52 Millionen Pkw verkauft werden, nach 50 Millionen in 2009. Die deutsche Autoindustrie hat gute Chancen, ihren Weltmarktanteil gerade im Premiumsektor auszubauen.
Die Industrie könnte aber weltweit über 80 Millionen Autos herstellen. Kann die Branche solche Überkapazitäten verkraften?
Überkapazitäten sind vor allem in Volumenmärkten zu beobachten, in denen die deutschen Hersteller nicht so stark vertreten sind. Es kommt immer auf die Attraktivität des einzelnen Modells an. Da gibt es bei deutschen Marken durchaus auch Lieferfristen. Aber klar ist: Der weltweite Nachfrageeinbruch 2009 hat den Preisdruck im Markt erhöht. Unsere Hersteller haben ihre Produktion rasch angepasst. Die Rabattschlachten der letzten Zeit – etwa in den USA – haben gezeigt, dass es dabei keine Sieger gibt, sondern eine nachhaltige kaufmännische Kalkulation zunichte gemacht wird.
Viele deutsche Zulieferer arbeiten am Rand der Insolvenz.
Für unsere Zulieferer wird auch 2010 ein sehr steiniges Jahr. Einzelne Hersteller haben 2009 mehr als einem Zulieferer unter die Arme gegriffen, um das Schlimmste zu verhindern. Die Wertschöpfungskette darf nicht reißen, schließlich bestehen unsere Autos zu 70 Prozent aus innovativen Leistungen der Zulieferer. In der Krise ist bei allen Herstellern das Bewusstsein gewachsen, den Preis- und Leistungsdruck auf die Zulieferer nicht zu hoch zu schrauben.
Druck bekommt die Branche auch von den Banken. Wie gehen Sie damit um?
Ich appelliere an die Banken, nicht den Fehler zu machen, eine der stärksten deutschen Branchen beim Rating pauschal herabzustufen, was die Kredite verteuert und das Volumen limitiert. Beides ist für unsere Unternehmen gefährlich. Es ist ja alles andere als verwunderlich, dass das Jahr 2009 keine guten Bilanzen bei den Unternehmen hervorgebracht hat. Aber die Banken sollten vor allem die künftigen Chancen der Automobilhersteller und Zulieferer berücksichtigen. Es geht um ein Zukunftsrating für die Perspektiven nach der Krise.
Was erwarten Sie 2010 von der Politik, nachdem Berlin Ihnen voriges Jahr die Abwrackprämie beschert hatte?
Wir brauchen kein weiteres Programm. Wir wünschen lediglich langfristige Rahmenbedingungen, verbunden mit der Bitte, das Autofahren in Deutschland nicht zusätzlich zu verteuern. Wir sind deshalb auch gegen eine Pkw-Maut. Aus leidvoller Erfahrung ist zu befürchten, dass eine im Gegenzug beabsichtigte Senkung der Mineralölsteuer am Ende von der Politik doch nicht umgesetzt wird. Und die Kfz-Steuer wurde ja soeben auf eine CO2-Basis gestellt. Daran sollte jetzt nicht wieder gedreht werden.
Wie schaut es denn mit der Besteuerung von Dienstwagen aus?
Bei Firmenfahrzeugen geht es um eine faire Besteuerung des geldwerten Vorteils für die private Nutzung. Und da ist es in den vergangenen Jahren zu einer Überbesteuerung gekommen.
Ist das politisch nicht heikel? Dienstwagen haben einen hohen Neidfaktor.
Das hängt mit dem Vorurteil zusammen, es ginge hauptsächlich um Luxuslimousinen. Oberklassewagen machen jedoch nur 1,5 Prozent der Firmenwagen aus, Geländewagen 7,6 Prozent. Mehr als jeder zweite Firmenwagen gehört zur Kompakt- und Mittelklasse. Und für viele kleine Mittelständler und Handwerksmeister, für Pflegehelfer und Außendienstmitarbeiter sind Firmenwagen ein existenznotwendiges Arbeitsgerät.
Wie sollten Dienstwagen denn besteuert werden?
Die Besteuerung von Jahreswagen für Werksangehörige ist gerade so novelliert worden, dass der ortsübliche Kaufpreis anstelle des Bruttolistenpreises als Grundlage herangezogen wird. Das geht übrigens auf ein Urteil des Bundesfinanzhofes zurück. Ich sehe auch hier einen Hinweis für eine mögliche Neuregelung bei Firmenwagen. Eine andere Lösung könnte sein, dass der Fiskus auf den nur in Deutschland anzutreffenden 0,03-Prozent-Sonderzuschlag für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsplatz verzichtet und im Gegenzug für Dienstwagen die Entfernungspauschale entfällt. Dies würde auch zu einer wesentlichen Vereinfachung der Besteuerung führen.