Autor Dogan Akhanli Deutschland strikt gegen Auslieferung an die Türkei

Die Bundesregierung, die EU-Kommission – und der Betroffene selbst: Kaum jemand kann sich vorstellen, dass der Autor Dogan Akhanli tatsächlich an die Türkei ausgeliefert wird. Aber Sorgen und Empörung bleiben.

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Die Festnahme von Akhanli auf Betreiben der Türkei entwickelt sich immer mehr zum Politikum. Quelle: dpa

Berlin/Madrid Die Bundesregierung hält eine Auslieferung des Kölner Schriftstellers Dogan Akhanli von Spanien an die Türkei für sehr unwahrscheinlich. „Wir können uns beim besten Willen nicht vorstellen, dass unter diesen Umständen (...) eine Auslieferung eines deutschen Staatsangehörigen in die Türkei in Betracht kommt“, sagte der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Martin Schäfer, am Montag in Berlin.

Schäfer bezog sich insbesondere auf „den Zustand des Rechtsstaats in der Türkei, aber auch die Vorwürfe, die in diesem Fall gemacht werden, die nach politischer Verfolgung geradezu riechen“. Dies habe die deutsche Botschaft bereits am Samstag gegenüber der spanischen Regierung klar gemacht – kurz nach der Festnahme Akhanlis während eines Spanien-Urlaubs.

Der Autor selbst fühlt sich aber immer noch nicht ganz sicher. Er sagte dem „Spiegel“: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich als deutscher Staatsbürger an ein Nicht-EU-Land ausgeliefert werde, aber beunruhigt bin ich schon.“

Akhanli war am Sonntag wieder freigelassen worden und darf Spanien während des Auslieferungsverfahrens nicht verlassen. Die türkischen Behörden hätten nun bis zu 40 Tage Zeit für ein förmliches Auslieferungsersuchen, sagte Schäfer. Dann entscheidet die spanische Justiz. Die Bundesregierung habe volles Vertrauen in die spanische Justiz und werde „nicht nachlassen“, die Argumente gegen eine Auslieferung einzubringen.

Auch ein Sprecher der EU-Kommission sagte: „Die Europäische Kommission hat volles Vertrauen, dass die spanischen Behörden diesen Fall nach EU-Recht behandeln.“

Gegen Akhanli lag ein Suchauftrag bei der Internationalen Polizeiorganisation Interpol vor, eine Red Notice. Diese stammt laut Schäfer aus dem Jahr 2013, bereits damals habe die Bundesregierung entschieden, dass Akhanli nicht ausgeliefert werde. Eine neue Red Notice liege nicht vor, sagte eine Sprecherin des Bundesjustizministeriums.


Akhanli muss jeden Montag zum Gericht

Die Türkei wirft Akhanli schwere Verbrechen vor. Ein Freispruch von 2010 wurde dort 2013 aufgehoben – laut Schäfer „unter merkwürdigen Umständen“.

Interpol habe im Fall Akhanli nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, mit einer gesonderten Notiz deutlich zu machen, dass er wahrscheinlich aus politischen Gründen verfolgt werde, so Schäfer. Dies sei wohl auch der Grund für Spanien gewesen, den Fall zu verfolgen und den Schriftsteller festzunehmen.

Akhanli sagte, derzeit suche er für die Zeit seines Verfahrens eine Wohnung in Spanien. „Nur jeden Montag muss ich zum Gericht in Madrid und eine Unterschrift leisten.“ Die Vorwürfe gegen ihn wies er als „aus der Luft gegriffen“ zurück. „Die Türkei will mich zum Schweigen bringen.“ Ähnlich hatte er sich gegenüber der ARD geäußert.

Der Anwalt des Kölner Schriftstellers geht davon aus, dass sein Mandant vor der Festnahme in Spanien von der Türkei bespitzelt worden ist. „Es war eine zielgerichtete Festnahme, kein Zufallstreffer in dem Sinne“, sagte Ilias Uyar dem „Bayerischen Rundfunk“

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) schließt eine nochmalige Verschärfung der deutschen Linie gegenüber der Türkei nicht aus. „Wir müssen uns immer wieder die Schritte vorbehalten“, sagte sie am Sonntagabend im Sender RTL auf eine Frage nach härteren Sanktionen.

Der Enthüllungsjournalist Günter Wallraff sagte dem MDR, Innenminister Thomas de Maizière (CDU) müsse herausfinden, wer noch aus Deutschland auf den Interpol-Fahndungslisten stehe. Die Linken-Abgeordnete Sevim Dagdelen forderte: „Die Bundesregierung muss die Initiative ergreifen, die Türkei aus der Interpol-Konvention ausschließen zu lassen.“ Reformen forderte Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne): „Denn das Kontrollsystem von Interpol versagt doch völlig, wenn die Behörde jetzt zum Handlager von Despoten gemacht werden kann, und das ist ja nicht zum ersten Mal passiert.“

Die Vorsitzende des Rechtsausschusses im Bundestag, Renate Künast, forderte Justizminister Heiko Maas (SPD) auf, eine sehr sorgfältige Prüfung der Anfragen aus der Türkei in Deutschland sicherzustellen. Laut Bundesregierung geschieht dies bereits in jedem Einzelfall.

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