B20-Gipfel in Berlin Schäuble zeigt der Finanzbranche die kalte Schulter

Die Wirtschaft organisiert in der Hauptstadt einen Gipfel weitweiter Konzernchefs. Das Treffen ist weit entfernt von einem Format wie Davos. Und auch die Politiker lassen die Unternehmen peinlich auflaufen.

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Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) spricht am Dienstag in Berlin beim Treffen von Wirtschaftsverbänden

Wolfgang Schäuble hat zwei Gesichter. Der eine Wolfgang Schäuble ist ein introvertierter, fast schüchtern wirkender Finanzminister, der beim Wirtschaftsgipfel B20 in Berlin eine Rede hält und vom Manuskript abliest. Er redet schnell, schaut kaum auf und scheint froh zu sein, als er nach rund einer Viertelstunde vom Pult abdrehen kann ist. Seine Hauptbotschaft: Finanzmärkte brauchen Regulierung. Es gibt artig Applaus von den rund 300 Besuchern.

Der andere Wolfgang Schäuble ist ein frecher, fast schon auf Angriff programmierter Finanzminister, der nur auf die richtige Gelegenheit zu warten scheint, um gegen die Finanzbranche zu sticheln. Er werde ja so häufig von Unternehmern darauf angesprochen, die ihre vermeintliche Hilfe anböten. „Die Leute kommen zu mir und sagen: Wir würden ja gerne in Südeuropa investieren. Aber Deutschland muss die Risiken übernehmen.“

Risiko spielte eine große Rolle auf dem Gipfel, den die Wirtschaftsverbände BDI, BDA und DIHK im Tempodrom in Berlin-Kreuzberg organisierten. Weltkonzerne schickten ihre Vertreter auf die Panel, auf denen es unter anderem darum ging, wie die Weltwirtschaft widerstandsfähiger, verantwortungsbewusster und flexibler werden kann. Nach Brexit, einem protektionistischen US-Präsidenten und einem drohenden Rechtsruck in Frankreich gibt es genügend Grund zur Sorge. Doch jede Form der Liberalisierung scheint auch die Berliner Politik nicht mitgehen zu wollen.

Inhaltlich gibt es Gräben zwischen Wirtschaft und Politik, so viel wurde klar. Zwar bekräftigen beide Seiten den Wunsch nach Freihandel und fairen Wettbewerbsbedingungen. Doch gerade im Finanzsektor fühlten sich die Vertreter von Deutsche Bank (Konzernchef John Cryan) und UBS (Gruppenchef Axel Lehmann) von der Politik alleingelassen. Das Problem sei, dass zu wenig Geld „in die Infrastruktur fließt“, so Lehmann.

Der UBS-Manager forderte einen anderen Umgang mit politischen und ökonomischen Unsicherheiten. „Wie gehen wir mit Risiko um“, fragte er in die Runde. Es gebe Zins- und Marktrisiken. Volkswirtschaftlich sei es wichtig, mehr Geld in Infrastruktur zu investieren. Aber diese Investments brauchten ihre Zeit, manchmal zehn bis 50 Jahre. Ein zu langer Zeithorizont offenbar für Banken. Lehmann forderte die Politik auf, eine „wachstumsfreundliche Umgebung“ zu schaffen.

Auch Deutsche-Bank-Chef John Cryan sagte, dass die Finanzindustrie nicht ideal positioniert sei, um hohe Infrastrukturinvestitionen zu unterstützen. Mitunter liege das an den hohen Compliance-Vorgaben für seine Branche.

Das war der Zeitpunkt, als Schäuble wieder seinen Schelm in sich entdeckte. Er kneift die Augen zu, blickt in die Halle über das Publikum hinweg. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker habe diesen Fonds ins Leben gerufen, der 350 Milliarden Euro aktivieren soll. „Geld ist ja nicht das Problem“, sagt Schäuble. „Das Problem sind die Möglichkeiten“, sagt er. Seit Jahren würden ihn Unternehmer immer wieder auf die geopolitischen Risiken hinweisen, die Investitionen verhindern würden. Die Wirtschaftsbosse würden ihm suggerieren: „Ohne die Politik ginge es der Wirtschaft besser.“

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