Baden-Württemberg Maue Bilanz von Grün-Rot im Ländle

Seite 2/3

Schwachpunkte der Regierung

Rund 2,5 Milliarden Euro fehlen ab 2013 im Landes- haushalt

An anderen Stellen hat die Regierung auch unter Versäumnissen der CDU-Vorgängerregierung zu leiden. Ein Beispiel dafür ist die aufgeblähte Landesverwaltung. „Derzeit nehmen wir in manchen Bereichen Dinge dreimal in die Hand, wo es einmal reichen würde“, schimpft SPD-Mann Schmiedel. Die Datenverarbeitung des Landes sei „rückschrittlich und ineffizient“. Als er jüngst wissen wollte, wie viele Lehrer das Land wo beschäftigt, konnte ihm dies „weder das Ministerium noch eine Schulbehörde klar sagen“.

Die passablen Umfragewerte der Regierung sind denn auch überwiegend der Person des Ministerpräsidenten geschuldet. Kretschmann ist beliebt im Volk. Selbst seine politischen Gegner stellen die persönliche Integrität des gläubigen Katholiken nicht infrage. Im strukturkonservativen Südwesten füllt er das Bild des bodenständigen (und leicht schrulligen) Landesvaters so perfekt aus, dass es bisweilen an Koketterie grenzt. Der ehemalige Biologielehrer durchwandelt sein Land wie ein gütiger Monarch, zitiert die Bibel und die Philosophin Hannah Arendt – und hält sich von der garstigen Tagespolitik möglichst fern. Von der Opposition ist er dadurch kaum dingfest zu machen. „Winfried Kretschmann ist ein netter Kerl, aber er geht Sachdebatten aus dem Weg und verschanzt sich hinter präsidialem Gehabe“, sagt Oppositionsführer Peter Hauk (CDU).

Die Bauarbeiten am neuen Tiefbahnhof Stuttgart haben begonnen. Quelle: dpa

Wirtschaft auf Kuschelkurs

Die Opposition kann noch nicht einmal darüber klagen, dass die Wirtschaft nicht läuft. Es brummt im Südwesten, das Bruttoinlandsprodukt legte 2011 um 4,4 Prozent zu – das ist der höchste Wert aller Bundesländer. Der Export stieg um zwölf Prozent, wichtige Unternehmen wie Porsche melden neue Absatz- und Gewinnrekorde. Wer will da noch an Kretschmanns Äußerung zum Amtsantritt denken, weniger Autos seien besser als mehr?

Fakt ist: Das Horrorszenario einer ideologischen Graswurzelrevolution ist im Industrieland Baden-Württemberg ausgeblieben. Das Unternehmerlager hält sich mit Kritik denn auch auffällig zurück. Hans-Eberhard Koch, Chef des Landesverbands der baden-württembergischen Industrie, lobte gar in der „taz“ die „pragmatische Politik“ der Regierung.

Doch was davon ist ernst gemeint – und was strategisches Kalkül, es sich mit den Herrschenden nicht zu verscherzen? „Die Verkehrs- und Energiepolitik der Koalition ist für ein Export- und Transitland wie Baden-Württemberg ein Wettbewerbs- und Investitionshindernis“, schimpft Andreas Richter, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Stuttgart. Umso mehr wundert sich der Chef der bundesweit zweitgrößten Kammer über den Kuschelkurs der Wirtschaft. „Diese Defensive überrascht, denn die Interessen der Wirtschaft finden bei den meisten Ministerien nur geringe oder gar keine Beachtung.“

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%