Baerbock in Katar Heikle Reise an den Golf

Quelle: dpa Picture-Alliance

Keine Knickse in Katar: Außenministerin Annalena Baerbock will es besser machen als Robert Habeck – und steckt doch im Dilemma.

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Es ist eine Frage, die Annalena Baerbock und Robert Habeck wohl möglichst lange hinauszögern wollen: Wer wird bei der nächsten Bundestagswahl Kanzlerkandidat? Es wird bei der Entscheidung um die Bilanz der beiden grünen Spitzenminister gehen, um Krisen, Erfolge – und darum, wie sie sich auf internationaler Bühne geschlagen haben: War das kanzlerfähig?

Kanzlerfähig? Was das überhaupt sein soll, ist fraglich. Aber es gibt Situationen, die sich übereinanderlegen und vergleichen lassen – und wenn der eine einen Fehler macht, wird ihn die andere tunlichst vermeiden wollen. So wie Annalena Baerbock in Katar.

Die Außenministerin steht am Mittwoch unter besonderer Beobachtung, als sie am Ende der ihrer dreitägigen Golfreise den Emir trifft: Wird sie knicksen? Sich gar verbeugen? So wie der Wirtschaftsminister, als er sich vor einem Jahr beim katarischen Handels- und Industrieminister um schnellere Lieferungen des Flüssigerdgases LNG bemühte – und die Bilder seither nicht mehr los wird.

Die Golfregion wird für Deutschland immer wichtiger. Außenministerin Annalena Baerbock will deshalb die Beziehungen mit Saudi-Arabien und Katar verbessern – auch mithilfe feministischer Außenpolitik. Kann das gelingen?
von Sonja Álvarez

Baerbock weiß an diesem Mittwoch also, dass sie solche Fotos nicht produzieren darf. Als der Emir sie am Morgen im Palast empfängt, marschiert sie schnurstracks auf ihn zu, hocherhobenes Haupt, ein Handshake mit weit ausgestreckter Hand, so zeigen es die Bilder der Fotografen. Journalisten waren nicht zugelassen bei dem Gespräch, dem erhebliche Verstimmungen vorausgegangen waren.

Die Kataris sind noch immer sauer über den Auftritt der deutschen Innenministerin Nancy Faeser (SPD), die sich bei der Fußballweltmeisterschaft demonstrativ mit einer „One Love“-Binde auf die Ehrentribüne gesetzt hatte, ein Symbol für Offenheit auch gegenüber homosexuellen Menschen. Das Regime hatte die Binde auf dem Platz verboten und fühlte sich von Faesers Auftritte offensichtlich vor den Augen der Welt düpiert.



Baerbock will nun die Risse kitten zu dem Land, das an Firmen wie der Deutschen Bank, Hapag-Lloyd, Siemens und Volkswagen beteiligt ist. Habecks LNG-Deal ist zwar eingetütet, doch Deutschland will die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Katar weiter vertiefen. Wie passt das zu Baerbocks wertegeleiteter Außenpolitik? Kommt für sie am Ende etwa doch zuerst der Markt – und dann die Moral?

Der Frage muss sich die Außenministerin während ihres gesamten Besuchs in der Golfregion stellen. In Saudi-Arabien und Katar gibt es erhebliche Menschenrechtsverletzungen, auch mit ihrer Idee von einer feministischen Außenpolitik können die Staaten hier nur sehr bedingt etwas anfangen.

Doch in Zeiten von Energieengpässen und ambitionierten Dekarbonisierungsplänen wird es schwer ohne die Autokraten am Golf. Katar liefert LNG, die saudischen Öl-Giganten wollen zum Wasserstoff-Riesen werden und den Stoff bieten, den Deutschland dringend für den grünen Umbau braucht. Aus der Ampel-Koalition hat sich deshalb eine regelrechte Karawane auf den Weg an den Golf gemacht, um für bessere Wirtschaftsbeziehungen zu werben.

Annalena Baerbock besucht Saudi-Arabien und Katar. Was kann die Außenministerin dort mit ihrer wertegeleiteten Außenpolitik erreichen? Golfexperte Dawud Ansari über eine heikle Reise zwischen Markt und Moral.    
von Sonja Álvarez

Erst kam im vergangenen Frühjahr Habeck, dann folgte Kanzler Olaf Scholz (SPD) im September, nun ist Baerbock da – und wird von den Regierungen offensichtlich neugierig erwartet. Der saudische Außenminister empfängt sie trotz erheblicher Verspätung nach einer Flugzeugpanne für eineinhalb Stunden in Dschidda. Und in Katar lädt der Emir Baerbock in seinen Palast zu politischen Gesprächen ein, mit dem Premierminister vereinbart sie anschließend einen strategischen Dialog zwischen Deutschland und Katar, bei dem es auch um weitere Klima- und Wirtschaftspartnerschaften gehen soll.

Habecks Desaster um seinen Staatssekretär Patrick Graichen will sie hier so weit wie möglich von sich fern halten, in der Pressekonferenz nach den politischen Gesprächen äußerst sie sich auf Nachfrage zunächst nicht zu Graichens Entlassung, später schiebt sie ein Statement hinterher, in dem sie Verständnis für Habecks Entscheidung äußert.

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Dass das Debakel für den Minister selbst noch längst nicht ausgestanden ist, dürfte jedoch auch Baerbock klar sein. Am Ende aber könnten die beiden Spitzengrünen darunter leiden: wenn es für die Partei weiter geht abwärts wie zuletzt in Bremen, brauchen sie am Ende gar keinen Kanzlerkandidaten mehr.

Lesen Sie auch: Warum Annalena Baerbock den Scheichs mit Feminismus kommt

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