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Die Deutschen machen es sich in der Rolle der Systemopfer zu bequem. Sie brauchen ein neues Mindset, welches die proaktive Übernahme von Eigenverantwortung feiert, schreibt Beat Balzli. Quelle: imago images

Ambitionslosigkeit ist kein Geschäftsmodell

Beat Balzli
Beat Balzli Ehem. Chefredakteur WirtschaftsWoche Zur Kolumnen-Übersicht: Balzli direkt

Wenn etwas in diesem Land nicht funktioniert, sind entweder Kaputtsparer oder Kapitalisten schuld. Doch da machen es sich die Deutschen zu einfach.

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Selbstzerfleischung ist eine deutsche Leidenschaft. Da kommt die jüngste Handelsbilanz gerade recht. Der Exportweltmeister rutscht ins Minus. Deutschlands Abstieg scheint nun amtlich zu sein. Die Nachricht passt zur Stimmungslage. Sie trifft auf ein ramponiertes Selbstbewusstsein. Selten wirkte das Land derart dysfunktional. Mit dem Krieg gegen die Ukraine hat das nichts zu tun. Das multiple Organversagen zeichnet sich seit Langem ab.

Die digitale Tristesse ertragen alle still. Das Versagen der analogen Gesundheitsämter brachte während Corona noch mal Empörung, mehr auch nicht. Dass ein FDP-geführtes 50-Prozent-Digitalministerium die Faxrepublik in die Moderne retten könnte, war eh eine absurde Vorstellung.

Dagegen bewegt der Verkehrsinfarkt die Gemüter deutlich intensiver. Das Wort Mobilität steht für kollektiven Stillstand. Reisende enden als Strandgut. Wer fliegt oder Bahn fährt, hofft nur noch anzukommen. Wie, wo und wann ist fast egal. Der Rest schlägt sich mit dem Auto durch – sofern es marode Brücken zulassen.

Der Bahn-Chef leidet übrigens an der ganzen Situation „wie ein Hund“ – und kassiert eine Lohnerhöhung. Womit wir beim Konsens zu den Ursachen wären: In einer zunehmend ungerechten Welt provozieren neoliberale Kaputtsparer den Systemkollaps und bereichern sich auf Kosten der Allgemeinheit. Was wie Satire klingt, zieht sich als Narrativ durch den gesellschaftlichen Diskurs, der laut den spendablen Umverteilungsstaat fordert.

Doch wie kann es sein, dass in anderen Ländern mit tieferen Staatsquoten und mehr Markt Flughäfen Spaß machen, Züge pünktlich ankommen, Sozialämter funktionieren und die Digitalisierung viel weiter ist? Und warum wird ignoriert, dass „der verfestigte Niedergangsdiskurs in die Irre führt, weil er positive Fakten ignoriert“, wie der Exgeneralsekretär des Deutschen Caritas-Verbandes Georg Cremer mit Blick auf gestiegene Nettoeinkommen in der „FAZ“ schreibt?

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Die Deutschen machen es sich in der Rolle der Systemopfer zu bequem. Sie brauchen ein neues Mindset, welches die proaktive Übernahme von Eigenverantwortung feiert. Die lässige Ambitionslosigkeit mit mehr Staatsgeld und Markteingriffen zu kaschieren führt in die Sackgasse. Höchstleistung und Perfektion haben das Land groß gemacht – und gute Bildung. Wer etwa eine Handelsbilanz lesen kann, sieht, dass die Exporte gar nicht stark eingebrochen sind, sondern die Preise für Energieimporte explodierten.

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