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Cum-ex steht für alles, was im Staat schiefläuft, kommentiert WirtschaftsWoche-Chefredakteur Beat Balzli in seinem Editorial. Quelle: imago images

Cum-ex steht für alles, was im Staat schiefläuft

Beat Balzli
Beat Balzli Ehem. Chefredakteur WirtschaftsWoche Zur Kolumnen-Übersicht: Balzli direkt

Gesetzeslücken und passive Beamte machten den größten Steuerbetrug erst möglich. Es braucht mehr Sorgfalt im Staatshandeln – und einen Anti-Mafia-Tüv. Ein Kommentar.

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Wie fotogen ist der Kanzler? Olaf Scholz testet es aus, inspiriert von den Instagram-Helden im grünen Lager. Im Turbinen-Gate rund um Nord Stream 1 steigt er vor Ort bei Siemens Energy in Putins Propagandaschlacht ein.

Wenige Tage später sieht ihn das Volk an der Wasserstofftanke, bei der Fußballnationalelf der Frauen – und am Hauptsitz von Heizungsikone Viessmann. Dort geht’s um Klimaschutz, Wärmepumpen und den Kanzler, der sich an vorderster Front um die Fragen der Zeit kümmert, so die Botschaft.

Was Bürgerinnen und Bürger auf diesen Bildern nicht sehen, sind die fünf Buchstaben des Grauens, die Scholz einfach nicht los wird – wie einen alten Kaugummi am Schuh. Sie stehen für den größten Steuerskandal in der Geschichte Deutschlands. Die Affäre rund um Aktiengeschäfte, Dividenden und zu viel gezahlte Steuerrückerstattungen kostete viele Banker bereits ihre Karriere. In Hamburg dreht sich alles um die Tricks der Privatbank M. M. Warburg, eine verjährte Steuerschuld – und die fragwürdige Rolle der SPD und des Kanzlers.

Schneller schlau: Cum-ex-Geschäfte

Olaf Scholz muss schon wieder in einem Untersuchungsausschuss aussagen, sofern ihm nicht erneut seine taktische Demenz dazwischenkommt. Der peinliche Auftritt wäre ihm allerdings erspart geblieben, wenn einst das Staatshandeln in Qualität und Geschwindigkeit nicht neue Negativrekorde aufgestellt hätte. Ein schlecht gebautes Gesetz brachte alles in Rollen. Wer es als Aktieninvestor rund um den Dividendenstichtag richtig machte, zahlte einmal die Kapitalertragsteuer und bekam sie zweimal zurück.

Bereits am 20. Dezember 2002 informierte der Bundesverband der Banken das Bundesfinanzministerium über diese Praxis. Erst vier Jahre später handelte das BMF – im Inland. Übers Ausland ging das Spielchen munter weiter, ausgerechnet dank Scholz’ Parteikollege Peer Steinbrück, damals Finanzminister.

Es ist nicht die einzig schlecht gemachte Regulierung, die Skrupellose ausnutzen. Immer wieder bieten sich lukrative Lücken, wie zuletzt etwa bei den Coronatestzentren. Warum also klopft der Staat seine Regeln nicht vorab auf Einfallstore für Kriminelle ab? Jede Firma lässt Hacker auf das eigene Netzwerk los, um Schwachstellen herauszufinden. Ähnlich könnte im Gesetzgebungsprozess ein Anti-Mafia-TÜV funktionieren. Das Aufwand-Ertrag-Verhältnis dürfte grandios sein. Bei Cum-ex hätte es dem Steuerzahler einen Verlust von rund zehn Milliarden Euro erspart – und Scholz unvorteilhafte Bilder.

Lesen Sie auch: Der Schatten der Steueraffäre um Cum-ex-Geschäfte liegt über Olaf Scholz – und dieser Schatten will und wird nicht verschwinden.

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