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Wirtschaftsminister Robert Habeck Quelle: imago images

Das fatale Taktieren des Wirtschaftsministers

Beat Balzli
Beat Balzli Ehem. Chefredakteur WirtschaftsWoche Zur Kolumnen-Übersicht: Balzli direkt

Die Blockade der Laufzeitverlängerung für die Atomkraft ist verantwortungslos. Habecks Rücksichtnahme auf die Basis hat wertvolle Monate gekostet.

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Der Start ist beinahe mustergültig. Russland überfällt die Ukraine, und Wirtschaftsminister Robert Habeck glänzt als Kriegswirtschaftsminister. Während Kanzler Olaf Scholz unbeholfen durch die Weltpolitik schlumpft, überzeugt der ehemalige Grünen-Chef in der Rolle des Machers, perfekt inszeniert auf Instagram und Co.

Scheinbar Tag und Nacht kümmert er sich fortan um den Energienachschub für die deutsche Industrie. Er lehnt zusammen mit Scholz vernünftigerweise ein Embargo für russisches Gas ab, obwohl der Druck der moralisch Unfehlbaren enorm ist. Selbst Exbundespräsident und Pfarrer a. D. Joachim Gauck will „Frieren für die Freiheit“, egal, ob dabei die Wirtschaft gleich mit einfriert und seine Schäfchen arbeitslos dastehen. Realo Habeck will das nicht. Er sieht auch ein, dass kurzfristig kein Weg an fragwürdigen Scheichs und dem Bau von LNG-Terminals vorbeiführt. Seine Basis kocht und manche klagen sogar. Dass Deutschlands oberster Klimaschützer jetzt auch Kohlekraftwerke länger laufen lässt, wirkt beinahe surreal.

In den Chefetagen feiern sie den regierenden Literaten als neuen Helden der Wirtschaftspolitik. Einer, der authentisch rüberkommt, Wirtschaft erklärt und in der Not nicht die Partei, sondern die Volkswirtschaft priorisiert.

Doch da wird zu früh gefeiert. Habeck fürchtet die roten Linien in seinem politischen Milieu – obwohl in Kriegszeiten ganz andere Regeln gelten und berechtigte ökologische Bedenken hintenanstehen müssen. Da ist einmal das umstrittene Frackingverbot, über das er nicht redet. Dass Deutschland seine eigenen Gasreserven nicht fördert und die Umweltrisiken lieber Lieferländern wie den USA überlässt, wirkt bigott. Regelrecht verantwortungslos ist aber seine Weigerung, sich um die Laufzeitverlängerung der Atomkraft zu kümmern. Während Fracking nicht sofort Ergebnisse liefert, sind die Meiler jetzt verfügbar. Mit absurden Argumenten versucht sein Ministerium das Thema zu beerdigen. Einmal sind es juristische Gründe, ein anderes Mal der falsche Strom-/Gasmix oder die Gefahr von Cyberattacken – obwohl der jüngste Hackerangriff auf den Energiesektor ein Windrad trifft. Dieses ideologisch begründete Taktieren kostet das Land wertvolle Zeit, in der man Haftungsfragen längst hätte klären und Brennstäbe beschaffen können. Immerhin lässt sich Habeck nun einen Stresstest als Hintertürchen offen, um vielleicht doch noch die Atomkarte im kalten Winter zu spielen. Ein souveräner Pragmatiker sieht anders aus.

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