Balzli direkt Der fatale Fokus auf Flüchtlinge

Zentral und zügig: Die Saar-Regierung nimmt Flüchtlinge zunächst in Lebach auf. Quelle: Laif

Die Debatte um die Krise des Rechtsstaates ist zu wichtig, um sie der AfD zu überlassen. Alle Kosten für Wirtschaft und Gesellschaft müssen auf den Tisch.

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Rolf Martin Schmitz hat die Nase voll. Im Krieg um die Kohle fühlt sich der RWE-Chef alleine gelassen – vor allem von der Justiz. Der Rodungsstopp im Hambacher Forst sei für ihn objektiv nicht nachvollziehbar, sagte er kürzlich der WirtschaftsWoche. Und für seine angelsächsischen Investoren erst recht nicht. Die würden Deutschland als Staat wahrnehmen, „in dem verlässliche Rahmenbedingungen fehlen“. Zudem seien die Demonstranten in ihren Baumhäusern Straftäter, gegen die zu wenig unternommen werde, poltert Schmitz gerne.

Mit seiner Kritik am Rechtsstaat steht er nicht alleine da. Die Unzufriedenheit in der Wirtschaft wächst. Nicht immer zu Recht, aber immer öfter. Wer vor Gericht verliert oder keinen Richter für seinen Ärger findet, ist nicht gleich Opfer eines maroden Rechtssystems. Vielen dient das nur als faule Ausrede. Doch die Ungerechtigkeiten häufen sich. Verfahren ziehen sich jahrelang hin, bis dem Schwächeren die Luft ausgeht. Richter geben mitunter dem Druck der Öffentlichkeit nach, lesen keine Akten oder verstehen die Materie nicht. Unterbesetzte Staatsanwaltschaften lassen die Großen laufen. Viele Gesetze sind schlecht gemacht oder von Lobbyisten zerzaust.

Diesem Missstand fehlt in Berlin die große Bühne. Nur die AfD-Truppen tragen das Horrorbild vom bröckelnden Rechtssystem wie eine Monstranz vor sich her. Parteigranden wie Björn Höcke lieben das Thema besonders. Ihnen geht es dabei einzig um die Frage, wie sie die verhassten Flüchtlinge loswerden.

Die Diskussion ist aber zu wichtig, um sie den Rechten zu überlassen. Kaum einer bestreitet, dass etwa die Abschiebung krimineller Asylanten konsequenter umgesetzt werden muss. Aber die Debatte darauf zu reduzieren und von der AfD anführen zu lassen, das kann in diesem Land keiner wollen. Die Rettung des Rechtsstaates muss prominenter, breiter und differenzierter angegangen werden. Die Neubesetzung des CDU-Vorsitzes bietet zum Beispiel eine gute Gelegenheit dafür. Es geht um nichts weniger als die Verlässlichkeit der Regeln, ohne die keine demokratische und marktwirtschaftlich orientierte Gesellschaft funktionieren kann.

Den Rodungsstopp für den Hambacher Forst begründen die Richter übrigens mit dem Schutz der Bechsteinfledermaus. Wenn Deutschland jede Rechtsfrage mit dieser Konsequenz beantworten würde, wäre wohl nicht nur Herr Schmitz zufriedener.

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