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Quelle: AP

Deutsche Exporte wurden auch am Hindukusch verteidigt

Beat Balzli
Beat Balzli Ehem. Chefredakteur WirtschaftsWoche Zur Kolumnen-Übersicht: Balzli direkt

Das Afghanistan-Debakel könnte für Europas Wirtschaft teuer werden – weil Chinas erneuter Machtzuwachs die 
USA in ihrem Wirtschaftskrieg bestärkt.

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So viel Häme war selten. Pekings Parteikader amüsieren sich gerade prächtig über die Performance des Systemgegners. Der erbärmliche Kabul-Exit der USA und ihrer Alliierten liefert der Propagandaabteilung eine Steilvorlage. „Chinesische Internetnutzer machen Witze darüber, dass die Machtübergabe in Afghanistan sogar noch reibungsloser vonstatten geht als die Übergabe der Präsidentschaft in den Vereinigten Staaten“, schrieb etwa der Chefredakteur der Parteizeitung „Global Times“ auf Twitter. Sein Blatt nannte den Triumph der Taliban „ die klarste Demonstration der amerikanischen Kraftlosigkeit“. Das Land sei nicht mehr als ein „Papiertiger“.

China fühlt sich einmal mehr darin bestätigt, dass es den kalten Krieg mit Washington über kurz oder lang gewinnen wird. Das Debakel in Afghanistan ist in den Augen von Präsident Xi Jinping und seiner Entourage nur einer von vielen Belegen dafür. Nicht zuletzt setzen die Chinesen einer moralisch aufgeladenen und oft gescheiterten Außenpolitik des Westens – die einst auch das Riesenreich vergeblich durch Handel wandeln wollte – ihren übergriffigen Seidenstraßenansatz entgegen. Sie beglücken das Prekariat der Staatengemeinschaft zuerst mit Infrastrukturprojekten auf Pump, um es dann wie ein Kredithai einzuschüchtern und am Ende gefügig zu machen.

Jedenfalls bauen Xis Leute schon mal gute Beziehungen zu den islamistischen Gotteskriegern auf – und dementieren gleichzeitig auffällig laut, das Machtvakuum füllen zu wollen. Glaubwürdig ist das nicht, sondern höchstens als Beruhigungspille für angehende Terroristen gedacht.

Am Hindukusch wurde eben nicht nur die Sicherheit der Bundesrepublik verteidigt, wie der ehemalige Verteidigungsminister Peter Struck einst klarstellte. Bald wird die Exportindustrie merken, dass Chinas indirekter Machtzuwachs die USA in ihrer Sanktionspolitik weiter bestärkt. Der gedemütigte Joe Biden dürfte seine Pläne für eine Antichinaallianz noch entschlossener verfolgen.

Ähnlich dem Iranmuster wären Strafen für ausländische Konzerne denkbar, die mit China Geschäfte machen – ein verheerendes Szenario für Deutschlands Konzerne. Ob die drei Ich-will-ins Kanzleramt-Teams den Ernst der Lage begreifen, lässt sich bezweifeln. SPD und CDU haben ja schon die Taliban nicht kommen sehen. Und die Grünen würden wohl Biden blind folgen. Moralisch aufgeladen, aber teuer. Einmal mehr.

Mehr zum Thema: Kaum jemand in Deutschland kennt die Taliban so gut wie Florian Weigand. Immer wieder reiste er nach Afghanistan, schrieb in Kabul seine Promotion. Er erklärt die politische und ökonomische Parallelwelt der Gotteskrieger – und ihre Agenda.

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