Balzli direkt
Robert Habeck, Bundeswirtschaftsminister, Olaf Scholz, Bundeskanzler, Christian Lindner, Bundesfinanzminister vor Journalisten. Quelle: imago images

Die Ampel steckt in der Loch-Ness-Falle

Beat Balzli
Beat Balzli Ehem. Chefredakteur WirtschaftsWoche Zur Kolumnen-Übersicht: Balzli direkt

Die alte Bundesregierung verdrängte die Schwächen des Standortes Deutschland. Die Neue tut das auch – was angesichts einer Stagflation noch fataler ist.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Verglichen mit seinem Nachfolger, wirkt Jens Spahn entspannt. Während der daueralarmierte Gesundheitsminister Karl Lauterbach an der Coronafront Niederlagen in Serie einstecken muss, übt sich Spahn in der Disziplin Angriff. In der CDU-Fraktion ist er der Neue für Wirtschaft, Klima, Energie und Mittelstand. Er soll dem grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck zeigen, was eine Opposition so kann.

Noch klappt das nur bedingt. Ausgerechnet der Anti-Erhard Robert Habeck kommt bei den Unternehmern gerade besser an als erwartet. Sein pragmatisches Vorgehen, mit dem der Realo die kriegsbedingte Energieproblematik lösen will, wird selbst in den CDU-affinen Kreisen einhellig gelobt. Und in Sachen Klimaschutz gilt der Grüne im Vergleich zur Union eh als authentischer.

Auch Spahns jüngster Versuch, die Regierung anzugreifen, wirkt wie ein Eigentor. „Die Ampel ist dabei, das Wohlstandserbe von Angela Merkel zu verspielen“, sagt er in einem Interview mit T-Online. Manche dürften wohl entgegnen, die Ampel ist dabei, das fatale Erbe von Angela Merkel zu überwinden. Zu Recht. Denn die unterfinanzierte Bundeswehr und die völlig fahrlässige Russlandabhängigkeit im Energiesektor fallen den Deutschen jetzt auf die Füße und kosten Wohlstand. Dafür kann die Ampel nichts – höchstens einzelne Vertreter.

Doch immerhin gibt es für Spahn einen Trost: Der Krieg und Merkels Erbe entschuldigen vieles, aber nicht alles. Bereits zeichnet sich ab, dass die Ampel ihre großen Versprechen, alles besser, schneller und moderner machen zu wollen, kaum einhalten kann. Digitalisierungsschub, Bürokratieabbau, Aktienrente oder Wohnungsbauoffensive erinnern an das Ungeheuer von Loch Ness: Alle reden davon, keiner hat es je gesehen.

Und die Schwächen des Standortes Deutschland drohen gar schlimmer zu werden. Was die Wirtschaft in Merkels Hochkonjunkturzeiten verkraften konnte, entwickelt sich in der aufkommenden Stagflation zu gefährlichem Ballast. Die Steuerbelastung liegt im internationalen Vergleich viel zu hoch. Die Bürokratie nimmt auf dem Energie- und Arbeitsmarkt zu statt ab. Die Ausgaben für den Sozialstaat wachsen weiter, die Schulden erst recht. Dass der Finanzminister nächstes Jahr die Schuldenbremse einhalten kann, glauben nur die wenigsten. Spahn kann also weiterhin entspannt bleiben. Die Stunde der wirtschaftspolitischen Opposition kommt sicher.

Lesen Sie auch: Es riecht nach Beamten-Willkür

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%