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Beat Balzli: SPD und CSU haben sich zu Tode geschenkt Quelle: imago images

Die Politik hat sich zu Tode geschenkt

Beat Balzli
Beat Balzli Ehem. Chefredakteur WirtschaftsWoche Zur Kolumnen-Übersicht: Balzli direkt

Die Niederlagen von SPD und CSU beweisen, dass sich Wähler nicht mehr so leicht kaufen lassen. Plumpe Wahlgeschenke sind Auslaufmodelle – endlich.

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Markus Söder wirkt wie die perfekte Besetzung für einen Laborversuch. In einer Testanordnung von Ökonom und Nobelpreisträger William Nordhaus würde der Bayer jedenfalls brav die gewünschten Ergebnisse liefern. Nordhaus geht in seiner Theorie der politischen Konjunkturzyklen davon aus, dass Politiker die Wähler mit Wahlgeschenken locken, indem sie zum Beispiel die Staatsausgaben erhöhen. Söder bestätigt die Theorie wie kaum ein anderer. Er ist beinahe schon der fleischgewordene Stimmenkauf. Egal, ob Kindergeld, Landespflegegeld, Förderprojekte oder Heimatschutz, jahrelang badete er die Bayern in seinen Wohltaten. Sein geliebtes Nürnberg bekommt gar eine neue Uni aufgedrängt – obwohl es schon zahlreiche Hochschulen gibt.


Doch die Standardwaffe einfallsloser Wahlkämpfer zieht nicht mehr. Söder und seine CSU wurden abgestraft. Und sie sind nicht die einzigen.

Finanzminister Olaf Scholz fantasierte vor wenigen Wochen von einer steuerfinanzierten Stabilisierung des Rentenniveaus bis zum Jahr 2040. Seine Parteichefin Andrea Nahles legte vor wenigen Tagen nach. Statt Exkanzler Schröders Spar-Agenda 2010 brauche das Land jetzt den „Sozialstaat 2025“. Selten wurde umfragebedingte Verzweiflung würdeloser in Programme gegossen. Die Zielgruppe sah es genauso. SPD und Co. haben sich zu Tode geschenkt. Der Wähler ist satt und hat es satt. „In einem Land wie Deutschland, in dem es der Mehrheit der Menschen so lange so gut geht, ist nicht mehr die Ökonomie die zentrale Frage“, sagt Politologe Wolfgang Merkel in einem WiWo-Interview.

Aber vielleicht ist das ja die Chance für das Land. Die Hochkonjunktur zwingt die Politik im Idealfall zur Innovation, weil viele Deutsche mehr wollen als simple Brot-und-Spiele-Shows. Postmaterialismus nennen das manche, was gerade den Grünen hilft. Zudem würde die Abkehr von den alten Rezepten den Haushalt stark entlasten und zukunftssicher machen. Noch mehr Steuergelder für Wählerumarmung können wir uns nicht leisten. Der nächste Abschwung kündigt sich bereits an.
Diese Erkenntnis sollte sich allerdings auch im restlichen Europa durchsetzen. Der neue Haushalt der Italiener atmet leider ganz die alte Schule. Die Einlösung der Wahlgeschenke lässt den Schuldenberg weiter wachsen. Immerhin ersparen sich die Italiener eine Weltallmission. Vielleicht haben sie ja keine Lust, dort oben auf Star Trekkie Söder und seine „Bavaria One“ zu treffen.

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