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Wasserstofftankstelle: Für Deutschland ist Wasserstoff eine Chance, sich unabhängiger von Energieimporten zu machen. Quelle: imago images

Die Zukunft gehört den deutschen Scheichs

Beat Balzli
Beat Balzli Ehem. Chefredakteur WirtschaftsWoche Zur Kolumnen-Übersicht: Balzli direkt

Gegen Machtspiele von Putin, Trump und Erdoğan hilft nur eine autarke Energieversorgung. Grüner Wasserstoff muss Teil der Sicherheitspolitik werden.

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Angela Merkel dürfte langsam genervt sein. Pausenlos spielen drei alte weiße Männer Gasmonopoly und führen dabei die Kanzlerin regelmäßig ein bisschen vor. Während Donald Trump mit Sanktionen gegen deutsche Firmen und Häfen die russische Pipeline Nordstream 2 zu verhindern versucht, treibt Recep Tayyip Erdoğan im Mittelmeer sein Unwesen. Ohne Rücksicht auf Griechenlands und Zyperns Wirtschaftszonen lässt er nach Gasvorkommen suchen. Dabei richten türkische Zerstörer gerne mal ihr Radar auf befreundete Nato-Schiffe.

Merkel versucht sich sowohl im Mittelmeer wie auch im Verhältnis zu Washington und Moskau in Deeskalation. Vor der testosterongeschwängerten Kulisse wirkt das alles aber ein bisschen zaghaft, um nicht zu sagen hilflos.

Die Mechanik dahinter ist relativ schnell erklärt. Je weniger die Versorgung eines Landes von den globalen Energiemärkten abhängig ist, desto egoistischer und aggressiver seine Außenpolitik. Russlands Verhalten belegt das anschaulich. Und die Amerikaner kopieren die Strategie spätestens seit Dezember 2018. Das Land verkaufte damals erstmals seit sieben Jahrzehnten mehr Öl in andere Länder als umgekehrt. Deutschland importiert dagegen 70 Prozent seines Energiebedarfs, womit eigentlich alles gesagt ist. Alle wissen leider, dass man auf internationale Zusammenarbeit und friedlichen Handel angewiesen ist. Außenminister Heiko Maas protestiert und keinen kümmert’s. Selbst drei US-Senatoren glauben, dem Fährhafen Sassnitz drohen zu dürfen. So viel Souveränitätsverlust war selten.

Daran kann sich kurzfristig nichts ändern. Mittelfristig aber durchaus. Dass Daten das neue Öl sind, haben die Deutschen zu spät begriffen und sich zu einer digitalen Kolonie der neuen Scheichs im Silicon Valley degradieren lassen. Dass grüner Wasserstoff ebenfalls als neues Öl gilt, dämmerte der Bundesregierung hingegen noch rechtzeitig. Neun Milliarden Euro sollen nun in einem ersten Schritt in diese Technologie fließen.

Die hausgemachte Speicherung von erneuerbarer Energie ist der erste Schritt Richtung Autarkie. Die deutschen Wasserstoff-Scheichs von morgen dürfen nicht nur als Klimaschützer gesehen werden, sondern als integraler Bestandteil einer nationalen Sicherheitspolitik. Nur so lassen sich Zeitpläne beschleunigen und zusätzliche Mittel mobilisieren. Die Disruption der Ölwirtschaft kann Deutschland mehr Selbstbewusstsein in der Außenpolitik verschaffen – und die Autokraten zurück auf Los schicken.

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