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Robert Habeck, Bundesvorsitzender von Bündnis 90/die Grünen

Eilmeldung: Habeck kann über Wasser laufen

Beat Balzli
Beat Balzli Ehem. Chefredakteur WirtschaftsWoche Zur Kolumnen-Übersicht: Balzli direkt

Die Grünen werden überschätzt, weil sie die Kehrseite des Klimaschutzes verharmlosen. Ähnliche Fehler machten die Liberalen einst bei der Globalisierung.

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Martin Schulz kennt das schon. Der einstige Kanzlerkandidat der SPD weiß, wie es ist, wenn einen die Öffentlichkeit in die Stratosphäre hochjubelt – weil sie sich nach einem Neuanfang sehnt. Robert Habeck, der gefühlte Kanzlerkandidat der Grünen, macht gerade eine ähnliche Erfahrung. Der Unterschied ist nur, dass er die Stratosphäre bald hinter sich lässt. Der Raketenstart wirkt in seiner Heftigkeit beinahe absurd. Dass Habeck auch über Wasser laufen kann, glaubt zwar noch keiner, aber es kann nicht mehr lange dauern.

Die Disruption des Politsystems macht es möglich. Zuerst kam sie von rechts, nun von links. Den einen haben die Volksparteien zu wenig Grenzschutz geliefert, den anderen zu wenig Klimaschutz. In der diffusen Mitte riecht es nach Untergang, an den Polen wird gefeiert. In der verunsicherten Republik gewinnen klare Profile und Persönlichkeiten. Mangels Alternativen steht Habeck alleine da. Das Establishment wirkt zu orthodox. Darum gewinnt er jedes Umfrageduell, egal, ob gegen CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer, Wirtschaftshoffnung Friedrich Merz oder Ministerpräsident Armin Laschet. Nach SPD-Granden fragt eh keiner mehr.

Vor lauter Sehnsucht nach Stabilität und Lichtgestalt vergessen aber manche Deutsche das Kleingedruckte. Wollen sie einen Kanzler, der Enteignungen befürwortet? Der auf Twitter die Kontrolle verliert? Vielleicht wollen sie das. Es macht ihn sympathisch, zu einer Art unperfektem Robin Hood. Aber eines wollen sie sicher nicht: getäuscht werden.

Denn beim Klimaschutz läuft dasselbe ab wie einst bei der Globalisierung. Die Befürworter der entgrenzten Weltwirtschaft verdrängten die dunkle Seite zu lange. Sie behandelten die Opfer des globalen Wohlstandsmotors als Restgröße. Sockelarbeitslosigkeit nannte sich das im Volkswirtesprech. Heute nennt man es Brexit oder AfD. Auch der Klimaschutz wird Verlierer produzieren. Große Teile der Auto- und Energieindustrie stehen vor einem historischen Umbruch (siehe Seite 6). Und längst nicht alle, die ihren Job verlieren, finden in der CO2-neutralen Zukunft einen neuen. Kompensationszahlungen aus einer Klimasteuer helfen da wenig. Das ist kein Argument gegen den überfälligen Klimaschutz, sondern für Ehrlichkeit. Fridays for Future ist sexy, Strukturwandel nicht. Habeck und Co. dürfen dieser Wahrheit nicht länger ausweichen. Sonst stürzt die Rakete zu Recht ab. Martin Schulz kennt das schon.

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