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Jens Spahn Quelle: AP

Jens Spahn sollte variabel vergütet werden

Beat Balzli
Beat Balzli Ehem. Chefredakteur WirtschaftsWoche Zur Kolumnen-Übersicht: Balzli direkt

Die Coronatest-Affäre ist symptomatisch für den Staat. Beim Ausgeben von Steuergeldern fehlt die Disziplin – beim Eintreiben nicht. Das muss sich ändern.

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Das ist sie wieder, die Königin aller Ausreden. Diesmal bemüht sie Gesundheitsminister Jens Spahn. Betreiber von Coronatestzentren haben gerade den Staat geplündert. Manche rechneten pro fiktiven Kunden reale 18 Euro ab. Keiner kontrolliert, keiner ist zuständig. Die Millionen to go gibt es für jeden, der sie will. Ein einstündiger Einführungskurs reicht, in Berlin wird gar nur eine Selbstauskunft verlangt. Willkommen im Spahn’schen Selbstbedienungsladen.

„Wo jemand betrügen will, betrügt jemand“, versucht der Minister, sich aus der Affäre zu ziehen. Ausgerechnet FDP-Chef Christian Lindner springt ihm bei: Man könne nicht immer „mehr Schnelligkeit anmahnen“ und dann gleich wieder bemängeln, wenn der Staat mal „unternehmerisch“ handle. Was die Verschwendung von Steuergeld mit unternehmerischem Handeln zu tun hat, bleibt sein Geheimnis.

Da basteln also zwei Spitzenpolitiker ernsthaft den totalen Freibrief für das Verbrennen von Staatsmillionen. Als würden sich Betrüger nicht vorher genau anschauen, ob der Weg zum Geld an Bedingungen geknüpft ist oder durch ein offenes Scheunentor führt. Wie so oft schon, legt diese Republik Förder- und Subventionsprogramme im Gießkannenprinzip auf und wird über den Tisch gezogen – von wohlhabenden Mitnehmern, die den Bau- oder Gründerzuschuss kassieren, bis hin zu den Betrügern, die Coronahilfen abkassieren. Immer waren schlecht gemachte Gesetze und Verordnungen der Grund allen Übels.

Dabei besteht bei der öffentlichen Hand durchaus eine eiserne Disziplin im Umgang mit Geld – nur leider nicht beim Ausgeben, sondern beim Einnehmen. Wer vom dysfunktionalen Staat spricht, meint nicht den Fiskus. Abgesehen vom Cum-Ex-Skandal um die entgangenen Steuern bei Aktiengeschäften, betreibt er sein Kerngeschäft effizient und verschwiegen. Es werden Fragen gestellt, Stichproben genommen. Warum lässt sich diese Gewissenhaftigkeit nicht auch im Ausgabenbereich implementieren? Warum wird immer erst nach dem Skandal reagiert? Warum wird nicht im Sinne einer Qualitätskontrolle jede Verordnung und jedes Gesetz vor dem Rollout von Spezialisten auf Missbrauchspotenzial abgeklopft? Warum gibt es keine variable Komponente in den Gehältern der Staatsdiener, um sie für eine Ausgabendisziplin zu incentivieren? Das wäre unternehmerisch gedacht, Herr Lindner. Und wo jemand genau hinschauen will, schaut jemand genau hin, Herr Spahn.

Mehr zum Thema: Fiktive Testzentren, Abzocke mit zu hohen Abrechnungen: Die Betrugsfälle bei Corona-Testzentren häufen sich – doch niemand will bisher Verantwortung übernehmen.

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