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Die Bundesstraße, die durch das Ahrtal führt, ist bei Altenahr hinter einem Tunnel durch die Flut weggerissen worden. Quelle: dpa

Sind Ungeimpfte und unversicherte Flutopfer asozial?

Beat Balzli
Beat Balzli Ehem. Chefredakteur WirtschaftsWoche Zur Kolumnen-Übersicht: Balzli direkt

Der Staat stellt für die Flutschäden Milliarden bereit. Das Geld hilft auch jenen, die sich die Risikovorsorge auf Kosten anderer sparten – wie so oft.

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Die Liebe der Wähler geht durch den Magen. Keiner weiß das besser als der Basta-Kanzler. „Wenn ich noch im Aufsichtsrat von VW säße, hätte es so was nicht gegeben“, kommentiert Gerhard Schröder den Entscheid einer Werkskantine, künftig auf die Currywurst zu verzichten. Der gefühlte Sonnenkönig a. D. will jetzt den „Kraftriegel der Facharbeiter“ (Zitat Schröder) retten und beweist damit, dass er von populärer Basisarbeit deutlich mehr versteht als die aktuelle Parteiführung der SPD. Das war schon immer so. Unerreicht ist etwa sein Gummistiefel-Auftritt im Jahr 2002 vor den Opfern des Elbhochwassers. Der Abgesandte des starken Staates brauchte die Worte, die alle hören wollten. Jahrhundertaufgabe, Solidarität, Hilfe ... Eigenverantwortung und Risikovorsorge gehörten nicht dazu.

Denn das wäre vor allem in einem Wahlkampf zu kalt, zu technokratisch und zu unmenschlich, weiß jeder Politprofi. Und so läuft es auch nach der verheerenden Flutkatastrophe im Juli so ab wie immer. Alle überbieten sich mit Hilfsversprechen bis dann ein gigantischer Wiederaufbaufonds steht. Diesmal sind es 30 Milliarden Euro, die Bund und Länder zur Verfügung stellen. Es soll ähnlich funktionieren wie nach der Flut im Jahr 2013. Der Fonds finanzierte Reparaturen an der zerstörten Infrastruktur. Zudem flossen Mittel an geschädigte Privathaushalte und Firmen, sofern die Schäden nicht durch Versicherungen abgedeckt waren.

Das ist menschlich, warmherzig, untechnokratisch. Aber ist das auch gerecht? Bis zu 50 Prozent der deutschen Eigenheimbesitzer zahlen Prämien für eine Elementarschadenversicherung und betreiben damit auf eigene Kosten eine selbstverantwortliche Vorsorge. Der Rest spart sich das Geld und verdrängt die Gefahren exponierter Grundstücke – auf Kosten aller Steuerzahler. Nach dem Motto: Ist mir zu teuer, wird schon gut gehen, im Ernstfall fliegt sowieso ein staatlicher Scheck in Gummistiefeln ein.

Eine individuelle Risikovorsorge von mündigen Bürgerinnen und Bürgern wäre jedoch ein entscheidender Beitrag zu einer fairen Lastenverteilung in der Gesellschaft, zur Eindämmung der Staatsquote und zur Verhinderung immer neuer Gesetze. Denn weil die Eigenverantwortung in Deutschland keine Lobby hat, droht in diesen Tagen nicht nur die Pflichtversicherung für Hausbesitzer, sondern auch die faktische Impfpflicht – und am Ende vielleicht gar die Pflicht zur Veggiewurst, dem Kraftriegel der Bevormunder.

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