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Tempolimit: Das Land braucht eine Tempobörse! Quelle: dpa

Statt Tempolimit: Wer rasen will, soll zahlen!

Beat Balzli
Beat Balzli Ehem. Chefredakteur WirtschaftsWoche Zur Kolumnen-Übersicht: Balzli direkt

Die verkrampfte Diskussion um das Tempolimit braucht dringend einen neuen Impuls – zum Beispiel Schnellfahrerkontingente, handelbar wie Aktien.

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Es ist wie eine Zeitreise zurück in die Steinzeit. Jeder Schweiz-Urlauber kennt das Gefühl. Entspannt fährt er auf dortigen Autobahnen die erlaubte Maximalgeschwindigkeit von 120 Kilometer pro Stunde und genießt nebenbei noch die Landschaft. Kein Drängeln, kein Drohen, kein Drama, stattdessen Wellness-Mobilität vom Feinsten.

Fortbewegung wird so zum meditativen Erlebnis, was allerdings mit dem Grenzübertritt nach Deutschland abrupt endet. Wie gedopte Neandertaler kleben plötzlich immer neue Drängler hinten an der Stoßstange. Egal, ob 150 oder 200 Kilometer pro Stunde, es will ständig einer zeigen, dass er die noch größere PS-Keule schwingt.

Wenn es nach einem breiten Bündnis aus Umweltverbänden, Verkehrssicherheitsverbänden sowie der Gewerkschaft der Polizei NRW geht, soll damit bald Schluss sein. Die Experten empfehlen ein generelles Tempolimit auf Autobahnen, Tempo 80 außerorts und in Städten die Einführung von Tempo 30. Über die Höhe des Tempolimits auf Autobahnen herrscht im Bündnis offenbar noch keine Einigkeit. Während Resch ein Limit bei 120 km/h fordert, seien „Geschwindigkeiten von über 130 km/h“ laut Michaela Mertens von der Gewerkschaft der Polizei NRW „lebensgefährlich“ für Menschen, die auf der Autobahn arbeiten würden.

Verkehrsminister Andreas Scheuer will das indes nicht hinnehmen. Er erteilte den Forderungen eine klare Absage: „Die Argumentation für ein generelles Tempolimit ist ein politisches Kampfinstrument, für manche sogar ein Fetisch“, sagte der CSU-Politiker.
Prompt verkeilen sich nun die beiden Lager. Auf der einen Seite die vernünftigen Spaßbremsen, die zu Recht die erhöhte Unfallgefahr und Klimagefährdung durch Schnellfahrer anprangern. Auf der anderen Seite die Retter der Restfreiheit, die sich zu Recht der staatlichen Regulierungswut nicht kampflos ergeben und der Automobilindustrie einen Wettbewerbsvorteil sichern wollen.
Neben Verboten und Völlerei braucht es jetzt also einen Kompromissvorschlag. Vorbild könnte der Emissionszertifikate-Handel für die Großindustrie sein. Sehr vereinfacht gesagt, werden jeder Fabrik Verschmutzungsrechte kostenlos zugeteilt. Wer in eine saubere Anlage investiert, braucht die Rechte nicht mehr und kann sie an einer Börse verkaufen – an Firmen, deren Produktion noch nicht sauber arbeitet und daher deutlich mehr Zertifikate benötigen.

Schnellfahrerkontingente würden nach derselben Logik funktionieren. Jeder Autofahrer erhält sozial gerecht jedes Jahr eine bestimmte Menge zugeteilt. Wer öfter schneller als 130 brettern will, kauft hinzu. Wer es lieber im Schweiz-Modus mag, verkauft und verdient hinzu. Die Überwachung des Systems dürfte mit der heutigen Technologie ein Kinderspiel sein.
Der Verkehrsminister unterstützt übrigens in seiner Freizeit bereits ein ähnliches Prinzip. Als er vor rund zwei Jahren in einer Disco bei Passau als DJ auflegte, durften sich seine Fans zwar ohne Limit betrinken – aber sie mussten jeden Drink bezahlen.

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