Die Schwanzprämie illustriert die ganze Problematik. In Süddeutschland und der Schweiz wurden die Mäuseplagen einst gerne mit Geld bekämpft. Für jede erlegte Maus zahlte die Kommune eine Prämie – gegen Vorlage des Schwanzes. Doch nicht immer sorgte die Maßnahme für die gewünschten Ergebnisse. Mancher soll extra Mäuse gezüchtet haben, um möglichst viele Schwänze abliefern zu können.
Dass der Staat mitunter falsche Anreize setzt, ist also kein neues Phänomen. Das aktuelle Ausmaß allerdings schon. Seit Ausbruch der Pandemie jagt ein Hilfspaket das nächste. Und die Entschädigungen für Coronatestzentren sind die neue Schwanzprämie. Geld gibt es auch für Fake-Tests.
Mit der Inflation und speziell den explodierenden Gas- und Strompreisen lebt diese großzügige Ausgabepraxis weiter. Täglich werden die Forderungen nach mehr Entlastung lauter. Die breiten Schultern sollen dafür endlich mehr tragen. Der Verteilungskampf eskaliert – obwohl die obersten 10 Prozent der Einkommenshierarchie schon für über 50 Prozent der Steuereinnahmen sorgen und ein Drittel der Wirtschaftsleistung für Soziales ausgegeben wird.
Immerhin in dieser Disziplin ist Deutschland Weltspitze.
Die ersten beiden Entlastungspakete
Noch vor Ausbruch des Krieges einigte sich die Ampel Ende Februar auf Maßnahmen, um steigende Energiepreise zu kontern. Die weitreichendste war die Abschaffung der EEG-Umlage zum 1. Juli. Mit ihr wurde bis dato der Ausbau der erneuerbaren Energien über die Stromrechnung finanziert. Allein der Posten bringt Verbraucherinnen und Verbrauchern in diesem Jahr laut Bundesfinanzministerium rund 6,6 Milliarden Euro Entlastung. Dazu kam ein Heizkostenzuschuss für Wohngeld- und Bafög-Empfänger sowie Azubis. Auch steuerlich wurde mit höherer Pendlerpauschale, dem steigenden Arbeitnehmerpausch- und Grundfreibetrag bereits frühzeitig justiert.
Einige der Entscheidungen, die SPD, Grüne und FDP dann am 23. März fällten, waren deutlich kontroverser. Damit sind nicht der Kinderbonus von 100 Euro pro Kopf oder die entsprechenden Einmalzahlungen
an Hartz-IV- und Arbeitslosengeldbezieher gemeint. Die Energiepreispauschale von 300 Euro brutto für Angestellte ist noch nicht einmal ausgezahlt worden.
Streit über Sinn und Unsinn gibt es vielmehr bis heute über zwei weitere Instrumente, die beide Ende des Monats auslaufen: den Tankrabatt von 30 Cent je Liter und das Neun-Euro-Ticket für den bundesweiten Nahverkehr.
Unterm Strich haben beide Pakete den Staat zusammen bisher rund 30 Milliarden Euro gekostet – mit EEG-Umlage, Tankrabatt (3,0 Milliarden) und Neun-Euro-Ticket (2,5 Milliarden) als größte Posten. Sicher ist: Fortsetzung folgt.
Kanzler Olaf Scholz hat verstanden. Bei der Jagd auf die Reichen macht er nicht aktiv mit, aber auch er verfällt in den Vollkasko-Modus. „You’ll never walk alone“, lautet seine neue Botschaft an die Bürgerinnen und Bürger. Vielleicht hat Scholz sich den Song nicht bis zum Ende angehört. Er ist das Finale aus einem Broadway-Musical und handelt davon, vertrauensvoll in die Zukunft zu blicken. Er handelt nicht davon, dauernd auf den Beistand des Staates zu hoffen.
Womit wir wieder bei den falschen Anreizen wären. Dabei geht es nicht nur um die Abzocke von öffentlichen Mitteln im Stil der Schwanzprämien, sondern die Botschaft der Regierung. Sie untergräbt das Prinzip Eigenverantwortung und den Glauben an eine effiziente Verwendung der Steuermittel – weil das Nanny-Prinzip das Notarzt-Prinzip ablöst.
Das zeigt sich nicht nur im beinahe bedingungslosen Bürgergeld. Pünktlich zur Gasumlage erhalten alle Erwerbstätigen eine steuerpflichtige Energiepauschale von 300 Euro. Getrieben von einer diffusen Gelbwesten-Panik, wirkt diese Maßnahme weder zielgerichtet noch sinnvoll. Für wirklich Bedürftige sind 300 Euro viel zu wenig. Der Rest nimmt das Geld einfach mit – inklusive einer fatalen Erkenntnis: Verprasse deine Notreserven, you’ll never pay alone.
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