BAMF und BMI Zu lange weggehört

BAMF & BMI: Wie lange war die mögliche Affäre in Bremen bekannt? Quelle: dpa

Ein Fax und interner Mailverkehr deuten an, dass BAMF und BMI früher von der möglichen Affäre in Bremen gewusst haben als bekannt. Auch ihr Umgang mit Mitarbeitern, die auf den Fall aufmerksam machten, wirft Fragen auf.

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Vor allem Unverständnis treibt Josefa Schmid, als sie am 13. Mai an Bundesinnenminister Horst Seehofer ein Fax schreibt. „Wieso darf ich nicht weiter in Bremen tätig sein, wo Sie doch selbst größtmögliche Aufklärung versprochen haben?“ „Wieso muss ich mich vor dem Verwaltungsgericht Bremen gegen diese Versetzung wehren (...), wenn Sie mich angeblich aus Fürsorgegründen vor der öffentlichen Berichterstattung schützen wollen?“

Josefa Schmid war bis vor wenigen Tagen kommissarische Leiterin der BAMF-Außenstelle Bremen. Die Amtsleitung hatte sie dorthin beordert, um die überdurchschnittlich hohe Anerkennungsquote in Bremen zu reduzieren. Am 25. Februar schickte Schmid einen ausführlichen Bericht an die BAMF-Spitze, in dem sie vor einem großangelegten Asylbetrug warnte. Das BAMF leitete den Bericht weiter an die Staatsanwaltschaft – und ließ Schmid warten.

Auch an die Münchener Staatskanzlei, wo Horst Seehofer als Bayrischer Ministerpräsident saß, wandte sie sich ab dem 1. März, als feststand, dass er Bundesinnenminister werde, abermals vergeblich. Das zeigen Recherchen der WirtschaftsWoche und der Nürnberger Nachrichten. Die Recherche zeigt auch, dass die engsten Mitarbeiter Seehofers bereits sechs Wochen früher von den Vorfällen in Bremen wussten, als das BMI ursprünglich zugab. Zuerst hieß es, das BMI habe erst am 19. April Kenntnis von dem Fall in Bremen erlangt, später korrigierte sich die Sprecherin und räumte ein, dass bereits am 4. April eine „schriftliche Darstellung“ an das Abgeordnetenbüro von BMI-Staatssekretär Mayer (CSU) geschickt worden war – der Bericht von Josefa Schmid. Auf Anfrage räumte eine Sprecherin des BMI nun ein, dass Frau Schmid sich am Tage nach der Amtseinführung, am 14. März, bereits telefonisch um einen Termin beim Bundesinnenminister bemüht habe. Josefa Schmid stand nicht für ein Gespräch zur Verfügung.

Nachdem Schmid am 4. April eine ausführlichere Version des Berichts zu den „Unregelmäßigkeiten im Asylverfahren in der BAMF-Außenstelle Bremen“ an den BMI-Staatssekretär Mayer schrieb und dieser an die Öffentlichkeit gelangte, versetzte sie die BAMF-Leitung nach Deggendorf – laut BMI und BAMF zu ihrem eigenen Schutz.

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In diesem Bericht an Mayer spricht sie von dem „bisher größten Flüchtlingsskandal in der Bundesrepublik Deutschland“ und wirft der Amtsleitung vor, dass sie an „einer echten Aufklärungsarbeit kein gesteigertes Interesse“ habe, es bestehe sogar der Verdacht, dass die Amtsleitung in Nürnberg selbst in die Causa Bremen verstrickt sei.

Wie Ende April dieses Jahres publik wurde, steht Schmids Vorgängerin, die langjährige Referatsleiterin Ulrike B., im Verdacht von 2013 an mehr als 1200 Asylanträge zu Unrecht positiv entschieden zu haben. Die Staatsanwaltschaft Bremen ermittelt gegen sie unter anderem wegen Bestechlichkeit. Aus strafrechtlicher Sicht ist bisher noch nichts erwiesen, doch sind die Vorwürfe so dramatisch, dass zumindest die Amtsleitung frühzeitig hätte eingreifen müssen.

BAMF-Präsidentin Jutta Cordt will erst am 25. Oktober 2017 den entscheidenden Hinweis zum Fall Bremen erhalten haben. Eine Mail, die vom Juni 2017 datiert und in der die Vorwürfe gegen Ulrike B. ausführlich geschildet werden, schürt Zweifel an dieser Darstellung. Die Mail ging an Rudolf Knorr, den Leiter des Operativen Bereichs des BAMF. Er ist einer der zentralen Figuren in der Behörde und laut Mitarbeitern der engste Vertraute von BAMF-Präsidentin Jutta Cordt. „Es ist vollkommen ausgeschlossen, dass Herr Knorr Frau Cordt nichts von dieser Mail erzählt hat“, sagt ein langjähriger BAMF-Mitarbeiter.

Was letztlich dran ist an den Vorwürfen, die seit Jahren gegen Ulrike B. erhoben werden, hat die Staatsanwaltschaft zu klären. Wie das BAMF und das BMI mit der Affäre umgehen, ist allerdings mehr als fragwürdig. „Wer versucht, Kritik gegen die Behördenleitung zu üben, wird einfach abserviert“, sagt ein langjähriger Mitarbeiter.

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