Bargeld abschaffen? Woran es beim bargeldlosen Bezahlen hapert

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Juristische Probleme

Neben den Geldpolitikern haben auch die Juristen einige Probleme zu lösen. Auch Fingerabdrücke können gefälscht und so Konten leer geräumt werden. Der Chaos Computer Club hat gerade den Abdruck von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und die Iris der Bundeskanzlerin geklont – für beide reichte ein hochauflösendes Foto. „Wer haftet, wenn Kunden bestreiten, mit ihrem Handy eingekauft zu haben oder es gestohlen wurde?“, fragt Viola Bensinger, Partnerin der Anwaltskanzlei Olswang.

„Zukünftig muss die Zahlung über eine starke Authentifizierung wie den Fingerabdruck eindeutig zugeordnet werden. So will es der EU-Gesetzgeber regeln“, sagt Matthias Terlau, Partner von Osborne Clarke. „Wer anonym zahlen will, wie mit Bargeld, ohne seine Daten herauszugeben, der muss auf das bequeme Handy-Bezahlen vielfach verzichten“, sagt der Spezialist für Zahlungsverkehrsrecht.

Von Hammel-Bonten von Wirecard glaubt dennoch an den Fortschritt beim Bezahlen, trotz der Angst deutscher Nutzer um ihre Daten: „Wir bewegen uns zurück zum Tante-Emma-Einkaufsprinzip“, sagt er. „Die wusste auch, wer bei ihr welche Waren einkauft, und man konnte anschreiben lassen.“

Mindestens so spannend wie die Datenschutzfrage ist die, wie das Smartphone unser Verhalten ändert. Kaufen wir künftig sorgloser ein, wenn unser Geld nur noch digital verwaltet wird, weil wir den Überblick verlieren? Ofer Zellermayer hat bereits 1996 an der Universität in Pittsburgh den Ausdruck „Schmerz des Bezahlens“ geprägt. Heute arbeitet er als Marketingprofessor am Ono College in Israel. Er erwartet, dass die Trennung der Kunden vom Bargeld zu heftigeren Kaufräuschen führen wird: „Der Schmerz beim Bezahlen verschwindet umso schneller, je weniger wir aktiv an der Zahlung beteiligt sind“, sagt er. Aktiv ist, wer Münzen an der Kasse abzählt – und nicht, wer über sein Handy wischt. „Ohne Bargeld werden Kunden das Gespür dafür verlieren, ob sie sich immer weiter verschulden“, sagt Zellermayer.

Das konnten auch die US-Forscher Raghubir und Srivastava 2008 nachweisen. Testpersonen, die ihr Abendessen mit Kreditkarte bezahlten, gaben rund zwei Dollar mehr aus als eine Bargeld-Gruppe.

In Schweden und Italien unterstützen die Zentralbanken schon offen eine Abkehr vom Bargeld. Italien möchte so die Mafia in den Griff bekommen. In Schweden zahlen Kunden schon drei Viertel ihrer Einkäufe mit Karte. Die letzte Konsequenz hieraus scheint grausam: In einer bargeldlosen Gesellschaft hätte der Staat die totale Kontrolle über die Finanzen der Bürger.

Gegenbewegungen dürften mit fortschreitender Digitalisierung an Einfluss gewinnen. Thomas Mayer, Ex-Ökonom der Deutschen Bank, hat Ideen zu einer neuen Geldordnung entwickelt. Er sieht einen Ausweg aus der Staatsverschuldung im Aktivgeld, das auf Vertrauen der Bürger fußt. Das Geld könnten auch Private ausgeben – wie bei Bitcoin.

Ob sie letztlich auf Euro oder Bitcoin basiert, für mich darf die Zukunft unseres Geldes gern schon jetzt beginnen. Die Zahlungen über mein Handy wirkten sicher und sparten Zeit – bis ich diese Mail bekam: „Ihr PayPal-Konto ist eingeschränkt, Ihre Mithilfe ist gefragt!“ Absender: Die Service-Adresse von PayPal, die auch meine mobilen Zahlungen bestätigt hatte. 1089 Euro seien bei mir abgebucht worden. Ich soll meine Daten schicken, zum Abgleich. Als ich bei PayPal nachsehe, bestätigt sich der Verdacht: Spam-Mail. Kurz war ich geschockt – ungefähr so wie in dem Moment, in dem man verzweifelt sein Portemonnaie sucht, dann aber merkt, dass es nur an einem ungewohnten Platz lag.

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