Bargeld-Abschaffung Bar jeder Vernunft

Nicht nur Verschwörungstheoretiker befürchten, dass Bargeld abgeschafft werden könnte. Mögliche Vorboten gibt es zuhauf. Doch auch gute Nachrichten für die Anhänger von Scheinen und Münzen.

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Bargeld in einer Kasse. Quelle: dpa

Bargeld ist für viele freiheitsliebende Menschen nicht irgendein praktisches Zahlungsmittel (viel schneller an der Supermarktkasse!), sondern ein letzter Zufluchtsort - abseits der Kontrolle durch Staat, Werbetreibende und andere Unternehmen. Umso mehr sorgen sie sich, wenn die Existenz des Bargelds infrage gestellt wird.

Bundesbank-Vorstand Carl-Ludwig Thiele zeigte im WirtschaftsWoche-Club Verständnis für diese Sorge. Sie hat auch eine faktenbasierte Begründung. Schließlich fordern ernstzunehmende Ökonomen, wie der US-Starökonom Kenneth Rogoff, schon länger die Abschaffung des Bargelds: Nur so ließen sich die Zinsen weiter in den negativen Bereich drücken. Nur so könne den Bürgern das Horten von Bargeld unter der Matratze verwehrt werden. "Ferner hat die EZB beschlossen, dass ab 2018 der 500-Euro-Schein nicht mehr ausgegeben wird. Zudem hat das Bundesfinanzministerium ein Gutachten in Auftrag gegeben, dass eine Obergrenze für Barzahlungen fordert", sagte Thiele im WirtschaftsWoche-Club.

Der Kampf gegen Steuerhinterzieher und Straftaten wird oft als Motiv für Einschränkungen des Bargeld-Verkehrs genannt. Nur wird, nebenbei oder doch ganz bewusst, auch ein gehöriges Maß an Privatsphäre vernichtet.

Auch im Alltag sind schon Einschränkungen spürbar. Besonders aufhorchen lassen sie, wenn sie von Stellen mit direktem oder indirektem staatlichen Einfluss ausgehen.

Beispiel Commerzbank: Die Großbank, an der der Bund noch etwa 15 Prozent Anteil hält, schaffte im Herbst Goldkäufe gegen Barzahlung ab.

Beispiel Öffentlich-rechtlicher Rundfunk: Mehrere Verwaltungsgerichte haben Bürger abgewiesen, die ihre Rundfunkbeiträge - die sogenannte GEZ-Gebühr - bar zahlen wollten. Dass nur eine bargeldlose Zahlung möglich sei, fanden sowohl das Verwaltungsgericht Frankfurt (1 K 2903/15.F und 1 K 1259/16.F) als auch das Verwaltungsgericht München in Ordnung  (M 6 K 15.3467). Die Münchner Richter sahen die verfassungsrechtlich garantierte "allgemeine Handlungsfreiheit" nur geringfügig eingeschränkt. Diese Einschränkung sei angesichts der geringeren Kosten für alle Beitragszahler durch die bargeldlose Zahlung verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Sie wiesen auch darauf hin, dass nur "auf Euro lautende Banknoten das einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel sind".

Und Münzen? Sind es nicht. Darauf weist mit schöner Regelmäßigkeit selbst der Bankenverband hin, wohl um die Mitgliedsbanken vor dem Unmut abgewiesener Kleinsparer zu schützen. "Niemand ist verpflichtet, bei einer Zahlung mehr als 50 Münzen anzunehmen. Das gilt für Privatpersonen ebenso wie für Geschäfte, Restaurants oder Tankstellen", schrieb der Bankenverband etwa im Februar 2013 in einer Mitteilung und wortgleich im April 2014, April 2016 und Januar 2017. Das ist nicht vorrangig ein Ausweis mangelnder Kreativität in der Pressestelle des Bankenverbands, sondern zeigt vor allem, dass das Thema viele Bürger bewegt - und Banken im Alltag wohl regelmäßig beschäftigt.

Zumal der Bankenverband sogar weitergeht und auch den Status der Geldscheine im Alltag hinterfragt. So dürften Geschäfte durchaus die Annahmepflicht von Geldscheinen eingrenzen, wenn sie darauf gut sichtbar hinwiesen. Der verwendete Schein solle "in einem angebrachten Verhältnis stehen zum Preis", schreibt der Bankenverband aktuell. "Wenn Sie zum Beispiel Ihren Espresso mit einem Hunderter zahlen wollen, der Kellner aber versichern kann, dass ihm das Wechselgeld fehlt, dann braucht er den Schein nicht annehmen."

Das lästige Kleingeld dürfte abgeschafft werden
Cent-Münzen Quelle: dpa
Abschaffung aus Platzgründen Quelle: dpa
Zu teure Herstellung Quelle: dapd
Abschaffungsgegner in der Minderheit Quelle: dpa
Bargeld nach wie vor beliebt Quelle: dpa
Männer haben im Schnitt 17 Euro mehr Bargeld im Portemonnaie Quelle: dpa
EC-Karte gewinnt an Bedeutung Quelle: dpa

Kaum Hoffnung also für Bargeld-Anhänger im Alltag? So leicht sollten sie die Waffen nicht strecken. Es besteht noch Anlass zur Hoffnung. So haben Gerichte zum Beispiel entschieden, dass Steuerzahler ihre Steuerschuld zwar nicht beim Finanzamt bar vorbeibringen dürfen. Sie könnten der Steuerpflicht aber durchaus in bar nachkommen, mit Einzahlungen bei einem lokalen Kreditinstitut oder einer Filiale der Bundesbank (Finanzgericht Münster, 7 V2897 15 AO).

Und als letzte Bastion im Kampf gegen die Bargeld-Verweigerer bleibt die gute alte Bundesbank. Jeder Bürger kann dort seine Euro- und Centmünzen kostenfrei in Banknoten eintauschen, in allen Filialen.

Auch darauf weist der Bankenverband in seinen regelmäßigen Mitteilungen jedes Mal hin. Er ist offenbar sehr froh, dass diese Aufgabe andere übernehmen.


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