Barmer Zahnreport Zahnärzte besuchen öfter Seniorenheime, Behandlung erfolgt kaum

Seit Zahnärzte für den Besuch im Seniorenheim mehr Geld kriegen, gehen sie öfter hin. Doch die Zähne der Bewohner sind nicht gesünder. Das liegt auch am Krankentransport.

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Bei schwer Pflegebedürftigen scheitert die richtige Zahnbehandlung oft am Transport vom Heim in die Praxis. Quelle: ddp

Berlin Fast zwei Drittel der Bewohner in deutschen Pflegeheimen leiden unter Zahnfleischbluten. Jeder zweite Heimbewohner ist nach der aktuellsten Mundgesundheitsstudie aus dem Jahr 2016 völlig zahnlos. Damit geht es diesen Menschen deutlich schlechter als Gleichaltrigen, die noch zu Hause wohnen.

Um die zahnmedizinische Versorgung Pflegebedürftiger zu verbessern, wurde daher schon 2013 die Vergütung für Hausbesuche angehoben. Eine weitere Verbesserung gab es 2014.

Nun belegt der am Donnerstag vorgelegte Zahnreport der Barmer, dass der finanzielle Anreiz für die Ärzte, sich mehr um die Zahngesundheit der Heimbewohner zu kümmern, seine Wirkung entfaltet hat. „Hochgerechnet wurde die neue Leistungsziffer allein 2016 GKV-weit 1,9 Millionen Mal abgerechnet“, so Barmer Vorstandschef Christoph Straub. 55 Millionen Euro hätten die Krankenkassen allein für die Besuche 2016 ausgegeben. 2013 lagen die Kosten noch bei 28,5 Millionen Euro.

Allein die Zahngesundheit der Heimbewohner habe dies allem Anschein nach kaum verbessert, so Straub. Bei vielen Patienten blieb der Besuch des Zahnarztes nämlich völlig folgenlos: Bei mehr als zwei Dritteln der Besuche fand am Tag des Besuchs keine Therapie statt, bei mehr als der Hälfte auch nicht innerhalb der folgenden 90 Tage.

Seit es vermehrt Heimbesuche gibt, hat sich nicht einmal die Zahl der mit den Krankenkassen abgerechneten Reparaturen von Zahnprothesen erhöht, für die der Patient oft das Heim gar nicht verlassen muss. Das riecht schwer nach Mitnahmeeffekten nach der Devise: Die Zusatzeinnahme durch den Heimbesuch nehmen wir gerne mit, aber den Patienten hinterher auch noch zu behandeln, ist uns mit Verlaub zu aufwendig.

Barmer-Chef Straub will einen solchen Vorwurf aber ausdrücklich nicht erheben. Die Autoren des Zahnreports haben vielmehr Pflegeheimbetreiber und kooperationsbereite Zahnärzte befragt, um herauszufinden, warum es so oft zu keinerlei Therapie kam. Dabei kam heraus, dass nach Einschätzung der befragten Heimbetreiber der Zahnarztbesuch für die Hälfte der Besuchten nichts gebracht hat.

Das ist jedoch nicht eindeutig Schuld der Zahnärzte. Es hängt vor allem damit zusammen, dass es in Pflegeheimen oft weder die für die zahnärztliche Versorgung benötigte Ausstattung gibt, noch können dort die erforderlichen Qualitätsstandards eingehalten werden. Der daher erforderliche Transport in die Zahnarztpraxis stellt sich jedoch nicht so einfach dar. Das fängt bei den zahlreichen Formalitäten an, die für einen Krankentransport erfüllt werden müssen.

Mancher Heimbewohner schreckt davor und überhaupt vor der Ortsveränderung zurück und lehnt die Behandlung, trotz bestehenden Bedarfs ab. „Durch die neuen Abrechnungsziffern werden mehr Zahnärzte erreicht. Vermutlich kommt es auch zu mehr Prävention“, sagt Studienautor Michael Walter, Direktor der Dresdner Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus. Doch das sei es dann oft auch schon.

Straub plädiert dafür, die Antragsverfahren für den Transport in die Praxis zu erleichtern. Die Barmer stellt nach seinen Worten bereits heute Dauergenehmigungen für die Kostenübernahme von Fahrten aus, sofern der Zahnarzt für schwer Pflegebedürftige eine Dauerverordnung vornimmt.

Unterdessen versucht die Politik mit neuen Richtlinien die Versorgung zu verbessern. Danach muss ab Juli dieses Jahres der Mundgesundheitsstatus von Heimbewohnern routinemäßig untersucht und auch ein Therapieplan gemacht werden. Zweimal im Jahr muss der Zahnarzt vorbeikommen, um harten Zahnbelag zu entfernen. „Ob diese Richtlinie aller guten Absichten zum Trotz die Mundgesundheit von Pflegebedürftigen und Behinderten nachhaltig verbessern wird, dahinter wage ich ein Fragezeichen zu setzen“, so Straub.

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