Dieser Satz ist eine Backpfeife für Berlin und Brüssel: „Die Wettbewerbsfähigkeit leidet“, klagt BASF-Chef Martin Brudermüller. Überregulierung, bürokratische Genehmigungsverfahren, hohe Kosten für die Produktion, all das bremse das Marktwachstum in Europa bereits seit vielen Jahren, nun würden die hohen Energiepreise hinzukommen.
2600 Stellen will der Chemieriese aus Kostengründen abbauen, davon zwei Drittel in Deutschland. 500 Millionen Euro sollen jährlich eingespart werden. An seinem Stammsitz in Ludwigshafen schließt der Konzern mehrere Anlagen, darunter auch die Einheit für das Kunststoffvorprodukt TDI, die erst 2015 in Betrieb genommen wurde. So schnell kanns gehen?
Dass die Botschaft von BASF ausgerechnet am Jahrestag von Russlands völkerrechtswidriger Invasion in der Ukraine kommt, ist zwar Zufall, doch zahlt sie ein auf die Sorge, die mit den Folgen des Kriegs verbunden ist – und nicht nur von Brudermüller geäußert wird.
„Deindustrialisierung ist kein Schreckgespenst mehr“
„Deindustrialisierung ist kein Schreckgespenst mehr, sondern findet statt“, sagte Covestro-Chef Markus Steilemann und Chemieverbands-Präsident erst kürzlich beim WiWo-Gipfeltreffen der Weltmarktführer. Die Energiekrise sei allerdings „nur ein Brandbeschleuniger“, mahnt Steilemann: „Sie ist ein Brennglas, für die seit langem in Deutschland existierenden Probleme, die nun offensichtlich Überhang nehmen über die aktuellen Entwicklungen.“
Was das für den Standort Deutschland heißt, zeigte sich am Freitag in konkreten Zahlen: Um 0,4 Prozent ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im vierten Quartal im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gesunken, wie das Statistische Bundesamt mitteilte – damit schrumpft die Wirtschaftskraft stärker als erwartet, 0,2 Prozent waren zuvor prognostiziert worden. Geht das BIP im laufenden Quartal weiter zurück, droht eine Rezession.
Drei Tage nach dem Kriegsbeginn hatte Olaf Scholz (SPD) vor einem Jahr die Zeitwende ausgerufen – dabei dürfen der Kanzler und seine Regierung den Standort aber nicht vergessen. Sicher, die Ampel-Koalition hat Hilfen in Rekordhöhe auf den Weg gebracht, doch Milliarden allein bringen wenig, wenn der Doppelwumms für die notwendige Beschleunigung fehlt. Die Zukunft lässt sich nicht herbei subventionieren, schon gar nicht, wenn die Bürokratie hoch und die Verfügbarkeit an Arbeits- und Fachkräften niedrig bleibt.
Derweil präsentiert US-Präsident Joe Biden eine Beschleunigung auf amerikanische Art: Mit dem „Inflation Reduction Act“ lockt er auch deutsche Industriekonzerne in die Staaten. Umso dringender müssen Berlin und Brüssel gegenhalten, aber bitte nicht zuerst mit Gegensubventionen, sondern mit einem „Bureaucracy Reduction Act“, wie ihn RWE-Chef Markus Krebber erst kürzlich gefordert hat. Das Deutschlandtempo wird nicht nur für LNG-Terminals gebraucht, sondern von der Windkraftanlage bis zur Wärmepumpe, vom Lehrerzimmer bis zur Ladesäule.
Es schnelles Ende des Kriegs ist nicht in Sicht, hat Kanzler Scholz am Donnerstagabend in der ZDF-Sendung „Maybrit Illner“ gesagt. Deutschland wird die Ukraine weiter im Kampf gegen Russland unterstützen – doch dauerhaft wird dies nur dann gelingen, wenn die Resilienz des Standorts Deutschland steigt. Eine erfolgreiche Zeitenwende fängt bei guter Wirtschaftspolitik an.
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