Baufinanzierung Etwa 50.000 Bauvorhaben von Klima-Förderstopp betroffen

Bauvorhaben müssen nun neu geplant und neu beantragt werden. Quelle: imago images / penofoto

Die Bundesregierung hat ihre Förderbank KfW angewiesen, Bauförderungen für Gebäude mit geringem Energieverbrauch zu stoppen. Laut einem Medienbericht sind etwa 50.000 Bauvorhaben direkt betroffen.

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Von dem Förderstopp für Gebäude mit geringem Energieverbrauch sind einem Forschungsinstitut zufolge etwa 50.000 Bauvorhaben direkt betroffen. Im relevanten Zeitrahmen von Ende November bis etwa Mai hätten etwa knapp die Hälfte von gut 100.000 geplanten Bauvorhaben von der Förderung profitiert, sagte der Vorstand des Empirica-Instituts, Harald Simons, der Zeitung „Welt“ einem Vorabbericht zufolge. Die Analyse beruhe auf Antragszahlen von Neubauvorhaben.

„Diese Vorhaben müssen nun neu geplant und neu beantragt werden“, sagte Simons. „Viele Bauherren werden zudem abwarten, welche Anschluss-Maßnahme vielleicht noch kommt.“ Dies könne zu Verzögerungen von einem Jahr führen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte den Sofortstopp am Montag mit einer Antragsflut und drohenden Mehrkosten in Milliardenhöhe begründet. Energiestaatssekretär Patrick Graichen hatte von einer veralteten Förderung gesprochen, die falsche Anreize setze.

Die Kritik an Habecks überraschendem Vorgehen reißt nicht ab. Wirtschaftsverbände und Verbraucherzentralen forderten am Dienstag einen baldigen Neustart von Programmen. Die Union warf Habeck vor, den Traum vom Eigenheim für viele Familien zu zerstören.

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Bundesbauministerin Geywitz (SPD) forderte unterdessen rasch ein neues Förderprogramm. „Es muss jetzt zügig eine Regelung gefunden werden, dass Anträge wieder gestellt werden können“, sagte Geywitz dem „Handelsblatt“. Es sei allen Beteiligten klar gewesen, dass die KfW-55-Förderung Ende Januar auslaufen sollte. Das habe noch das Wirtschaftsministerium unter Peter Altmaier festgelegt. Gleichwohl ergebe sich nun mit dem Förderstopp für Betroffene eine schwierige Situation. Mit Blick auf eine neue Fördersystematik fügte die SPD-Politikerin hinzu: „Mein Wunsch ist, dass wir sowohl den Lebenszyklus eines Gebäudes als auch das Baumaterial in die Betrachtungen einbeziehen.“

Kritik kam vom neuen CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz. „Viele Betroffene können jetzt nicht bauen und bleiben stattdessen auf den Planungs- und Vorbereitungskosten sitzen“, monierte er. Bei vielen mittelständischen Unternehmen würden die Aufträge storniert. „So verspielt Politik Vertrauen.“

Konkret können keine neuen Anträge für Fördermittel der staatlichen Förderbank KfW in der Bundesförderung für effiziente Gebäude gestellt werden. Dies gilt laut Ministerium für folgende Programme: Das Effizienzhaus 55 im Neubau, das Effizienzhaus (EH) 40 im Neubau sowie die energetische Sanierung. Über die Zukunft der Neubauförderung für EH40-Neubauten will das Ministerium zügig entscheiden. Die Förderung für Sanierungen solle wieder aufgenommen werden, sobald entsprechende Haushaltsmittel bereitgestellt sind.

Nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums sind rund 24.000 Anträge auf Förderungen offen, die noch vor dem vorzeitigen Ende des Programms eingegangen sind. Davon entfielen laut einer Sprecherin rund 700 auf Sanierungen, 20.200 auf Neubauten nach dem endgültig gestoppten Effizienzhaus-Standard EH 55 und 3000 nach EH 40. Zuvor hatte das Nachrichtenportal „Business Insider“ über die Zahlen berichtet.

Thomas Engelke, Energieexperte der Verbraucherzentrale Bundesverband, sagte, der Förderstopp auf breiter Linie schade Klimaschutz und Verbrauchern. Die Bundesregierung argumentiere, dass Neubauten nach KfW-Effizienzstandard EH55 kein Beitrag zum Klimaschutz mehr seien. „Das ist richtig. Von dem Stopp betroffen sind aber auch der höhere Standard EH40 und energetische Komplettsanierungen. Daher braucht es jetzt kurzfristig einen Neustart mit Priorität für die Förderung von energetischen Gebäudesanierungen und an zweiter Stelle für Neubauten mit EH40-Standard oder besser.“

Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, nannte den Förderstopp „abträglich und geradezu widersinnig“. Er sagte: „Unverständlich und nicht akzeptabel ist, dass in einer derartigen Nacht- und Nebelaktion Finanzierungsplanungen über den Haufen geworfen werden für Projekte, die vielfach sogar bereits beschieden sind.“ Mit dem Stopp sämtlicher energiewirtschaftlicher KfW-Programme drohe die neue Bundesregierung, energieeffizientes Bauen auszubremsen.

Der Präsident des Außenhandelsverbandes BGA, Dirk Jandura, sprach von einem überraschenden und schweren Schlag für die Baubranche und ihre Zulieferer. Die Weiterführung der Bundesförderung für effiziente Gebäude sei dringend notwendig.

Die stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Dorothee Bär, kommentierte: „Mit der Entscheidung steht der langgehegte Traum vom Eigenheim für viele Familien vor dem Aus. Angesichts ohnehin steigender Bau- und Materialpreise sei das ein herber Schlag ins Gesicht. Sie alle bekämen von der Bundesregierung keine Verlässlichkeit, sondern beschädigtes Vertrauen. „Viele stehen nach monatelanger Planung und ersten Ausgaben nun vor dem Nichts.“

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