Bauministerin „Ministerium erkennt die Lage nicht“: Klara Geywitz erzürnt die Baubranche

Bauministerin Klara Geywitz (SPD) steht wegen der verfehlten Neubauziele in der Kritik – und teilt nun gegen die Baubranche aus. Quelle: dpa

Bauministerin Klara Geywitz stichelt im Bundestag gegen die Bauindustrie. An der Produktionstechnik habe sich seit 15 Jahren nichts geändert. Tim-Oliver Müller, Chef des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie, weist die Kritik zurück.

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Wenn der Bundestag dieser Tage die Wohnungspolitik auf die Agenda nimmt, sind Diskussionen programmiert – so auch am vergangenen Mittwoch. Im Rahmen einer aktuellen Stunde zur Situation am Wohnungsmarkt ergriff Bauministerin Klara Geywitz (SPD) das Wort. Wieder einmal musste sie sich für die verfehlten Neubauziele rechtfertigen, die wegen Zins- und Baukostenexplosion wohl auch in Zukunft nur politisches Wunschdenken bleiben werden.

Doch laut Geywitz gebe es tiefergehende Gründe, „warum in Deutschland nicht schneller mehr Wohnungen gebaut werden“. Am Geld alleine liege es nicht. „Ich frage Sie: Fällt Ihnen noch eine andere Branche ein, wo es so ist, dass sich in den letzten 15 Jahren die Produktionstechnik nicht verändert hat? Nein!“, sagte die Bauministerin vor den Berliner Abgeordneten.

Die Bruttowertschöpfung je Erwerbstätigenstunde, so Geywitz, verharrte in der Baubranche zwischen 2000 und 2017 bei circa 25 Euro. In der Gesamtindustrie hingegen sei dieser Wert im gleichen Zeitraum auf 42,50 Euro gestiegen, 65 Prozent über dem Niveau der Baubranche also. Geywitz resümiert: „Wir haben ein massives Produktivitätsproblem.“

Die Industrie ist also selber schuld? In der Branche stößt die Rede der Bauministerin auf Unverständnis. Daran ändert auch ihr versöhnlicher Einschub nicht, man könne die Baubranche nicht eins zu eins mit anderen Wirtschaftszweigen vergleichen.

„Nun mag es zum politischen Spiel gehören, dass wenn es für ein Politikressort nicht so gut läuft, mit dem Finger auf andere gezeigt wird“, sagt Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie, der WirtschaftsWoche. Aber: „Das Ministerium erkennt die Lage nicht“. Wenn es keine Aufträge gebe, könne die Industrie auch nicht bauen, resümiert Müller.

„Bauministerium sollte erstmal die eigenen Hausaufgaben machen“

Tatsächlich brechen die Zahlen im Baugewerbe gerade ein. Zuletzt sank die Zahl der Baugenehmigungen um 16,3 Prozent im Vorjahresvergleich, meldet das Statistische Bundesamt für November. Auch gingen 5,6 Prozent weniger Bauaufträge ein. Und in der Immobilienbranche geht man davon aus, dass das erst mal so bleiben wird.

Bau-Lobbyist Müller weist die Kritik an der Produktivität zurück – und spielt den Ball zurück zur Ministerin. Vorgaben der Politik verlangsamten nämlich die Prozesse. „Ein wesentlicher Grund ist aber die Regulatorik – genau, jene, die Frau Geywitz endlich entschlossen anpacken könnte und sollte“, kommentiert Müller.

Als Beispiel nennt er den reinen Preiswettbewerb. Bei der Vergabe von Bauprojekten würde immer der wirtschaftlichste Dienstleister ausgewählt – sprich: der billigste. Wenn aber allein der Preis das ausschlaggebende Kriterium sei, führt Müller weiter aus, „können Innovationen und Ansätze, Produktivität zu steigern, nicht umgesetzt werden.“ Aus seiner Sicht unterstütze das Bauministerium unter Geywitz die Branche nicht, die Vergaberegularien zu lockern.

Auch beim Koalitionspartner herrscht Unverständnis ob der Schuldzuweisungen von Geywitz. Einen regelrechten „Attentismus“ des Bauministeriums kritisieren Ampel-Vertreterinnen. Gleichzeitig herrscht Unverständnis darüber, dass viele der Probleme so einseitig auf die Baubranche abgewälzt werden.

Am größten scheint die Unzufriedenheit bei der FDP zu sein, die ihrerseits einen „Bau-Booster für Deutschland“ fordert - klarer kann ein Misstrauensvotum gegen das zuständige Ministerium kaum ausfallen. Die Inhalte eines von der Fraktion verabschiedeten Papiers lesen sich wie eine Ad-hoc-Anleitung: sofortiges Kostenmoratorium, Reform des Gebäudeenergiegesetzes, mehr Bauland für die Kommunen, mehr Aufstockung in den Städten. Denn klar sei: Aus der Krise geht es nur mit und nicht gegen die Bauwirtschaft. „Bevor das Bauministerium kluge Ratschläge an die Privatwirtschaft gibt, sollte es erst einmal die eigenen Hausaufgaben machen“, kritisiert FDP-Bauexperte Daniel Föst.

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