
Immer neue Einsätze im In- und Ausland, ein hoher Ausbildungsbedarf, ein steter Wechsel durch einen sehr großen Anteil Zeitverträge, Probleme wegen der geburtenschwachen Jahrgänge und ein erheblicher Konkurrenzdruck durch Wirtschaftsunternehmen und andere staatliche Einrichtungen wie Polizei oder Zoll: Die Bundeswehr kämpft an der Personalfront mit Herausforderungen.
Rund 2.000 Bundeswehr-Offiziere scheiden innerhalb eines Jahres wegen der üblichen Zeitverträge aus und müssen ersetzt werden. Rund 6.000 Offiziere und Offizieranwärter befinden sich gerade im Studium und stehen damit der Truppe nicht zur Verfügung. Zwei Beispiele, die deutlich machen, wie kompliziert Personalplanung bei den deutschen Streitkräften ist.





Nicht nur materiell, auch personell sei die Bundeswehr „in einigen Bereichen am Limit“, kritisierte der neue Wehrbeauftragte des Bundestages, Hans-Peter Bartels (SPD), in seinem ersten Bericht. Er forderte ein „Wendejahr“ für die Bundeswehr. Denn zum Jahreswechsel umfasse sie nach etlichen als Reformen getarnten Reduzierungen nur noch rund 177.000 Soldaten inklusive 8.800 Freiwillig Wehrdienstleistender in „Schnupperkursen“ von sieben bis 23 Monaten – „kleiner war sie nie“.
Trotz aller Herausforderungen: „Es kann personell nicht von einem sinkenden Schiff die Rede sein“, betont die Abteilungsleiterin für Personalgewinnung im Kölner Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr, Petra Müller, im Gespräch mit „Wirtschaftswoche Online“. „Im Gegenteil: Die Bundeswehr hat grundsätzlich keine Nachwuchsprobleme.“ Sie ist allerdings knapp in den roten Zahlen: Beschlossen war ein Abbau bis 2017 auf 170.000 Zeit- und Berufssoldaten. Aktuell fehlen aber rund 1700, da auch noch Dienstposten in alten Strukturen besetzt werden müssen.

Die Bundeswehr benötigt jährlich rund 13.000 neue Zeitsoldaten und mindestens 5.000 junge Frauen und Männer für den Freiwilligen Wehrdienst. Im zivilen Bereich umfasst der Einstellungsbedarf 4000 Auszubildende, Arbeitnehmer und Beamte. Damit eine Auswahl möglich wird, sind deshalb alljährlich mehr als 60.000 Bewerbungen für den militärischen und rund 20.000 für den zivilen Bereich Pflicht.
Bei ständig sinkenden Schulabgängerzahlen klingt das nach einer enormen Herausforderung. 1982 gab es laut Statistischem Bundesamt rund 1,4 Millionen 18-Jährige mit deutscher Staatsbürgerschaft, 2015 waren es noch 751.513, und 2025 werden es lediglich 660.882 sein. Die Bundeswehr ist darum sehr stolz darauf, dass mit 106.000 Bewerbungen im vergangenen Jahr sogar jeder siebte mögliche Kandidat bei ihr vorstellig geworden ist.
Petra Müller verweist auf das „Trendence-Schülerbarometer 2015“, wonach die befragten 13.000 Schüler der Klassen acht bis 13 die Bundeswehr auf der Liste der Top-Arbeitgeber auf Rang 2 (hinter der Polizei) gewählt haben, weit vor Unternehmen wie Audi (9. Platz), Sparkassen-Finanzgruppe (18.) oder Airbus (20.). Zwei Drittel der Bewerber haben mindestens die Mittlere Reife oder einen Berufsabschluss.
Braucht die Bundeswehr mehr Geld?
Die Bundesregierung hat bisher nicht vor, die Finanzmittel für die Bundeswehr wesentlich aufzustocken. Im Haushaltsplan für 2015 gehört der Verteidigungsetat zu den wenigen Posten, bei denen gekürzt wurde - wenn auch nur um 0,5 Prozent. Bis 2018 ist eine leichte Steigerung von 32,3 auf 36,86 Milliarden Euro vorgesehen. Angesichts der Ausrüstungslücken bei der Bundeswehr wird jetzt der Ruf nach einer deutlich stärkeren Erhöhung lauter. Was spricht dafür und was dagegen?
Quelle: dpa
Deutschland will mehr Verantwortung in der Welt übernehmen. Bei den Verteidigungsausgaben liegt es aber weit hinter den wichtigsten Nato-Partnern zurück. Während der Bundesregierung Armee und Ausrüstung nur 1,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts wert sind, investieren die USA 4,4 Prozent in ihr Militär, Großbritannien 2,4 Prozent und Frankreich 1,9 Prozent. Erklärtes Nato-Ziel ist es, zwei Prozent des BIP für die Verteidigung auszugeben. Das bekräftigte das Bündnis auch bei seinem Gipfeltreffen in Wales Anfang September - mit dem Einverständnis von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).
Zumindest bei der Beschaffung von Ersatzteilen gibt es eine Finanzlücke. Die Mittel dafür wurden 2010 gekürzt. Militärs beklagen, dass die Bundeswehr heute noch darunter zu leiden hat.
Auf die Bundeswehr kommen immer wieder neue Aufgaben hinzu. Die Nato will ihre Reaktionsfähigkeit im Krisenfall verbessern. Der Kampf gegen den islamistischen Terrorismus wird möglicherweise noch Jahre dauern. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat den Vereinten Nationen auch ein stärkeres Engagement Deutschlands bei Blauhelmeinsätzen in Aussicht gestellt. Das alles geht nicht ohne modernes, robustes und gut gepflegtes Material.
Die Bundeswehrreform wurde nach dem Prinzip „Breite vor Tiefe“ entworfen. Das heißt: Die Truppe soll alles können und braucht dafür in jedem Bereich die entsprechende Ausrüstung. Das kostet. Bleibt man bei diesem Prinzip, muss auch Geld dafür zur Verfügung gestellt werden.
Das Rüstungsproblem der Bundeswehr ist nicht in erster Linie ein finanzielles Problem, sondern ein Managementproblem. Das macht sich schon daran bemerkbar, dass im vergangenen Jahr insgesamt 1,5 Milliarden Euro des Verteidigungsetats gar nicht ausgeschöpft wurden.
Das Prinzip „Breite vor Tiefe“ widerspricht den Bestrebungen von Nato und EU, innerhalb der Bündnisse Aufgaben zu teilen. Diese Bemühungen kommen bisher allerdings nur schleppend voran. Man könnte sich stärker dafür einsetzen, um zu einem effizienteren Rüstungssektor zu kommen.
Je mehr verschiedene Militärgeräte es gibt und je geringer die Stückzahlen, desto größer ist auch der Wartungs-, Instandhaltungs- und Ausbildungsaufwand. Deswegen könnte eine stärkere Spezialisierung der Bundeswehr Kosten sparen.
Bei der Beschaffung neuer Rüstungsgüter kommt es regelmäßig zu Verzögerungen und Kostensteigerungen, denen man durch ein besseres Vertragsmanagement entgegenwirken kann. Nur einige Beispiele: Der Kampfhubschrauber „Tiger“ sollte im Dezember 2002 ausgeliefert werden. Daraus wurde Juli 2010. Auf den Transporthubschrauber NH90 musste die Bundeswehr sogar neun Jahre länger warten als ursprünglich vorgesehen. Die Kosten für die Fregatte 125 haben sich im Laufe der Entwicklung von 656 Millionen auf 758 Millionen Euro erhöht. Der Preis für ein Transportflugzeug A400M stieg wegen einer nachträglichen Reduzierung der Stückzahl von 124,79 auf 175,31 Millionen Euro.
Befürchtungen, die Bundeswehr würde nach der Aussetzung der Wehrpflicht zu einer Armee der Armen, Abenteurer und Außenseiter verkommen - „Die Unterschicht übernimmt die Landesverteidigung“, so beschrieb Professor Michael Wolffsohn von der Bundeswehr-Universität München 2011 besonders drastisch die erwartete Entwicklung – haben sich nicht bewahrheitet. Selbst in der Laufbahn der Mannschaften hat die Bundeswehr einen Anteil von 12 Prozent Bewerbern mit Abitur beziehungsweise Fachhochschulreife erreicht.