BDI-Tag Angela Merkel – Grillos Wahlempfehlung

Angela Merkel weiß, dass sie der Industrie mit ihrer Politik nicht nur Freude bereitet hat. Trotzdem nutzt BDI-Chef Grillo den Tag der Deutschen Industrie für eine sehr persönliche Würdigung der Kanzlerin.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel und BDI-Präsident Ulrich Grillo schätzen einander. Quelle: dpa

Berlin Für Ulrich Grillo ist es der letzte Tag der Deutschen Industrie in seiner Funktion als Präsident des Branchenverbands BDI, zum Jahreswechsel gibt er den Führungsposten an den früheren Bitkom-Chef Dieter Kempf ab. Also nutzt der Duisburger Metall-Unternehmer seinen letzten großen Auftritt vor den Industriebossen der Republik am Donnerstag im Berliner Congress Center für eine sehr persönliche Würdigung der Kanzlerin. Man könnte auch sagen – für eine Wahlempfehlung. Er wünsche der Regierungschefin Angela Merkel viel Kraft und Erfolg auf der politischen Bühne – „die ich mir ganz persönlich nicht ohne eine Angela Merkel vorstellen kann“, sagt Grillo.

Dabei haben es sich der Industrieverband und die Bundesregierung nie leicht gemacht. Mindestlohn, Rente mit 63, explodierende Energiekosten, Erbschaftsteuerreform – viel zu kritisieren gab es in den vergangenen Wochen und Monaten für die Unternehmer. Erst kürzlich hatte Grillo der Politik im Handelsblatt ein „Foulspiel“ vorgeworfen, nachdem Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel öffentlich das Freihandelsabkommen TTIP für tot erklärt hatte. Solche Querschüsse, macht der Industriepräsident in Berlin deutlich, dürfe sich eine Nation, die wie kaum eine andere vom Export abhänge, nicht leisten: „Wir würden uns ein klares Ja auch aus der Politik wünschen – von allen Regierungsmitgliedern“, mahnt er. Und: „Wir dürfen nicht vom Land der Ideen zum Land der Bedenken werden.“

Auch Merkel weiß, dass die Regierung der Industrie mit ihrer Politik in dieser Legislaturperiode nicht nur Freude bereitet hat. Dass Grillo die erst nach zäher Hängepartie verabschiedete Erbschaftsteuerreform in seiner Rede nur in einem Nebensatz gestreift habe, sei „schon Lob genug“, sagt die Kanzlerin. Und sie weiß auch, dass die wirtschaftliche Hochphase, die Deutschland derzeit durchlebt, nicht mehr ist als eine „Momentaufnahme“. Deshalb gebe es noch eine ganze Reihe von Hausaufgaben zu erledigen: Breitbandausbau beschleunigen, gemeinsam mit Europa den digitalen Binnenmarkt vollenden, mehr in Forschung und Entwicklung investieren, Flüchtlinge integrieren.

Auch bescheidene Steuerentlastungen verspricht die Kanzlerin, da gebe es in der kommenden Legislaturperiode durchaus etwas Spielraum, ebenso wie für Investitionen. Aber sie betont auch: Die schwarze Null sei zwar kein „Fetisch“, aber die klare Ansage, dass es keine neuen Schulden zulasten der kommenden Generationen geben werde.


Subventionsgießkanne? Dafür gibt es keinen Grund

Nicht versprechen kann die Kanzlerin, dass es nicht zu neuen Belastungen und mehr Bürokratie für die Industrie kommen wird. Denn kurz nach ihrem Auftritt vor den Wirtschaftsbossen trifft sich die CDU-Chefin mit den Spitzen der anderen Koalitionsparteien im Kanzleramt, um unter anderem über neue Rentengeschenke und das umstrittene Lohngerechtigkeitsgesetz zu reden.

Die Unternehmer sehen da schon neue Milliardenlasten auf sich zukommen und mahnen die Parteien, nicht zu früh in den Wahlkampfmodus zu schalten: „Ein steuererhöhungs- und Rentenwahlkampf wird den Standort Deutschland nicht attraktiver machen“, mahnt Grillo. Die Republik brauche einen „Investitionsturbo“ und könne sich kein Jahr Stillstand und Umverteilungswettkampf leisten.

Auch Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD), der später zu den Industriebossen redet, mahnt, im Wahlkampf „Maß und Mitte“ zu halten. Die 20 Milliarden Euro Haushaltsüberschuss seien vor allem Folge der Minizinsen und des niedrigen Ölpreises. Es gebe deshalb keinerlei Grund, jetzt mit der Subventionsgießkanne durchs Land zu laufen. Wenn Investitionen, dann am ehesten in Bildung, Schulen und das Breitbandnetz, wenn Entlastungen, dann am ehesten für Familien und Alleinerziehende.

Der Wirtschaftsminister nimmt für sich in Anspruch, die Förderung der Erneuerbaren Industrien wieder zu mehr Marktnähe geführt, die Bedingungen für Start-ups verbessert und mit dafür gesorgt zu haben, dass „Industriepolitik“ in Deutschland kein Schimpfwort mehr ist. Nicht immer werden die versammelten Unternehmer mit ihm einer Meinung sein, vor allem bei der Energiewende liegt aus ihrer Sicht noch vieles im Argen. Und eben auch bei TTIP würden sie sich mehr Unterstützung von Gabriel wünschen.

Doch den Gefallen tut der Minister der Industrieelite nicht. Anders als die Kanzlerin glaube er nicht, dass angesichts des eröffneten US-Wahlkampfs noch eine Einigung mit Washington möglich sei, auch wenn er sich einen Abschluss gewünscht hätte. Es sei aber eben auch nicht zu leugnen, dass viele Menschen Angst hätten, den Einfluss auf ihr eigenes Leben zu verlieren, sei es bei der Flüchtlingsmigration oder eben beim Freihandel. Und diese Sorgen müsse man ernst nehmen. Das sind Sätze, mit denen Gabriel auf einem SPD-Parteitag punkten kann, aber eben nicht bei der Industrie. Und so verwundert es am Ende kaum, dass Grillo sich Angela Merkel noch lange auf der politischen Bühne wünscht.

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