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Beamte im Zwangsurlaub Der blockierte Haushalt - warum eigentlich nicht?

In den USA werden Beamte kurzerhand in den Zwangsurlaub geschickt. Vielleicht wäre das für einige Behörden hierzulande auch eine Überlegung wert.

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Die USA schicken Beamte aufgrund des Haushaltsnotstandes in den Zwangsurlaub. Vielleicht wäre es hierzulande auch eine Überlegung wert. Quelle: dpa

Wer in den USA beim Amt für Umweltschutz anruft, wird wahrscheinlich niemanden an die Leitung bekommen. Nur rund jeder zwanzigste Mitarbeiter im Amt geht seiner Arbeit nach. Alle anderen können die Füße hochlegen: Der Staat hat für einen Großteil seiner Bediensteten einen unbezahlten Zwangsurlaub verhängt. Rund 800.000 Bundesangestellte haben gerade keinen Job. Es ist Stillstand angesagt.
Die Wall Street zeigt sich unbeeindruckt und auch die Unternehmen machen weiter ihre Geschäfte. Immerhin ist es nicht das erste Mal, dass sich der Senat und das Repräsentantenhaus nicht auf einen Haushaltsentwurf einigen können. Doch das Leben außerhalb der Politik geht seinen gewohnten Gang.

Das verdienen unsere Staatsdiener
Geschichts-Unterricht an einer Hauptschule Quelle: dpa
Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle und seine Richter haben eine schwierige Aufgabe vor sich: Sie sollen klären, ob Richter und Staatsanwälte in Deutschland genug verdienen. Das Verfahren am Bundesverfassungsgericht ist nicht nur heikel, es könnte auch Signalwirkung für andere Beamtengruppen haben. Bis 2006 wurden alle Richter und Staatsanwälte nach einem bundesweiten Tarif bezahlt. Im Rahmen der Föderalismusreform sind nun die Länder für die allermeisten Angehörigen dieser Berufsgruppen zuständig. Der Bund zahlt die Gehälter für die Bundesrichter und Bundesanwälte. Wie Beamte auch können Richter und Staatsanwälte ihr Gehalt nicht frei aushandeln. Sie haben zwar Privilegien, dürfen zum Beispiel aber nicht streiken. Das Grundgesetz schreibt daher vor, dass Beamte nach dem „Alimentationsprinzip“ bezahlt werden. Das heißt, ihr Dienstherr muss ihnen und ihrer Familie lebenslang einen angemessenen Lebensunterhalt garantieren. Was das ist, sagt das Grundgesetz aber nicht genau. In der Ordnung „R“ gibt es zehn Besoldungsgruppen, wobei die drei höchsten Stufen von einem Festgehalt ausgehen. Zwischen etwa 3.400 Euro und 11.300 Euro verdienen demnach Richter und Staatsanwälte zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen. Quelle: dapd
Allgemein gilt für deutsche Staatsdiener, dass sie so entlohnt werden sollen, dass sie wirtschaftlich unabhängig und entsprechend vor Bestechung und Korruption geschützt sind. Das ist mit dem sogenannten Alimentierungsprinzip in Artikel 3, Absatz 5, des Grundgesetzes festgeschrieben. Die Besoldungsbestimmungen sind in Bund und Bundesländern ähnlich, auch die Höhe der Besoldung. Angestellte von Bund und Kommunen können je nach Berufsbild mit einer Bezahlung ab 1900 Euro rechnen. Quelle: dpa
Professoren sind zum Teil in die Besoldungsordnung "W" einsortiert. Die Besoldungsgruppen W1 bis W3 bringen im Bund nach Angaben des Beamtenbundes dbb Grundgehälter von etwa 3.800 Euro bis 5.300 Euro brutto, in den Bundesländern selbst gibt es leichte Abweichungen. Darüber hinaus gibt es flexible Gehaltsbestandteile. Quelle: dpa
StudienratAls Studienrat erklimmt ein Lehrer einen wichtigen Schritt: Er ist dann nämlich von dem gehobenen in den höheren Dienst gewechselt. Die Eingruppierung in A13 bedeutet für ihn dann eine Bezahlung zwischen etwa 3.150 Euro und 4.300 Euro im Monat. Quelle: dpa
Im Ausland unterwegs und dort die deutschen Interessen vertreten: Ein Job im Auswärtigen Amt ist begehrt, der Posten als Botschafter ohnehin. Im höheren Dienst werden sie in den Besoldungsgruppen A15 bis B3 eingeordnet. Das bedeutet eine Bezahlung von etwa 4.700 Euro bis 6.600 Euro im Monat. Quelle: dpa
Der Job als Arzt ist aufreibend, gerade im Krankenhaus. Wenn es einer der „Götter in weiß“ dann aber mal bis zum Chefarzt gebracht hat, dann gibt es mit A14 eine Eingruppierung in den höheren Dienst. Zwischen etwa 3.300 Euro bis 4.700 Euro im Monat liegt dann der Verdienst. Quelle: dpa

Für Deutsche scheint die Situation undenkbar - Journalisten fachsimpeln, wieso ein solcher Shutdown hier nicht möglich wäre. Und geben sich erleichtert. Doch wieso eigentlich? Was wäre denn so schlimm daran, wenn zum Beispiel die Bundesmonopolverwaltung für Branntwein für einen Monat unbesetzt bliebe? Oder der Wetterdienst mit 2257 Mitarbeitern? Schließlich gibt es ja noch private Anbieter, die voraussagen können, ob man morgen einen Regenschirm braucht.

Es ließen sich noch zahlreiche weitere Beispiele finden. Da wäre ja noch - über 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges - die "Dienststelle für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen deutschen Wehrmacht" mit 300 Mitarbeitern oder das Büro für die Abschätzung von Technik-Folgen im Deutschen Bundestag mit rund 10 Mitarbeitern.

Wenn man genau hinsieht, könnte man in Deutschland wohl zahlreiche Ämter, Zoos und Museen zeitweise dicht machen. Zumindest für einen Monat scheinen auch die meisten Ministerien verzichtbar zu sein. Zum Beispiel das Bundespräsidialamt. Es würde wahrscheinlich niemandem auffallen, wenn Bundespräsident Joachim Gauck oder zumindest ein Großteil seiner Beamten in den Zwangsurlaub geschickt würde. Nützlicher Nebeneffekt: Damit ließe sich eine Menge Geld sparen. Über 16.000 Euro seines Gehaltes und durchschnittlich jeweils über 7000 Euro für die Gehälter seiner Angestellten. Selbst wenn er einen Monat lang darauf verzichten würde, Orden zu verleihen, ließen sich rund 7000 Euro sparen. Im Haushalt des Präsidialamtes sind sogar monatlich rund 65.000 Euro unter anderem für “Ausgaben für die Bewirtung mit Erfrischungen” veranschlagt.

Auch wenn sich hierzulande eine solche Situation niemand vorstellen kann, ist sie schon bald möglich: Ab 2016 darf der Bund kaum Schulden machen, die Länder gar keine mehr - das verlangt die Schuldenbremse.

Spätestens dann sollten sich die einige Behörden hierzulande auch fragen, ob sie wirklich gebraucht werden.

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