Beamtenbund-Chef „Arbeitszeit der Staatsdiener soll sinken“

Ulrich Silberbach Quelle: dpa

Ulrich Silberbach, Vorsitzender des Beamtenbunds (dbb), über seine Forderungen für die Tarifrunde im öffentlichen Dienst – und die Work-Life-Balance der deutschen Staatsdiener.

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Ulrich Silberbach, 58, ist seit November 2017 Bundesvorsitzender des dbb beamtenbund und tarifunion.

WirtschaftsWoche: Herr Silberbach, bis zur Sommerpause wollen Beamtenbund und Verdi ihre Forderungen für die Tarifrunde im öffentlichen Dienst präsentieren. Sie verhandeln in einer Situation, in der die Wirtschaft schwächelt und die Steuereinnahmen nicht mehr so üppig fließen...
Ulrich Silberbach: ...und jetzt wollen Sie sicher wissen, ob wir deshalb sanfter auftreten werden. Die Antwort ist nein. Dafür besteht kein Anlass. Wir haben bereits in der vergangenen Tarifrunde sehr zurückhaltend agiert.

Nun ja. Es gab immerhin rund 7,5 Prozent auf 30 Monate.
Aber immer noch gibt es bei vergleichbaren Tätigkeiten eine Lohnlücke zwischen dem öffentlichen Dienst und der Privatwirtschaft von sieben bis zehn Prozent, bei den Ländern sind es etwa vier bis sechs Prozent. Wir müssen den Anschluss zur Privatwirtschaft halten, da gibt es Nachholbedarf. Sie dürfen eines nicht vergessen: Wir stehen auf den gleichen Arbeitsmärkten im Wettbewerb um die gleichen Fachkräfte – und es fehlen dem öffentlichen Dienst schon jetzt über 300.000 Leute. Da sind niedrigere Löhne kein besonders tolles Werbeargument.

Dafür gibt es im öffentlichen Dienst eine deutlich höhere Jobsicherheit – und das ist in schwierigen Zeiten durchaus ein Werbeargument.
Wir werden daher eine 100-prozentige Angleichung an die Gehälter der Privatwirtschaft realistischerweise weder erreichen noch anstreben. Aber die Differenz muss deutlich verkleinert werden, darüber gibt es keine Diskussion.

Geht es in der Tarifrunde nur ums Geld oder stellen Sie auch qualitative Forderungen?
Es gibt in der Tarifpolitik einen generellen neuen Trend, anstelle steigender Löhne optional mehr Freizeit anzubieten. Bei der Bahn und in der Metallindustrie hat es dazu erste Pilotabschlüsse gegeben. Auch im öffentlichen Dienst läuft die Debatte, mit Blick auf die Work-Life-Balance mehr Zeit statt mehr Geld zu fordern. Die Meinungsfindung ist bei uns intern noch nicht abgeschlossen, aber ausschließen will ich die Forderung nach einer Art Wahltarif nicht.

Ist es nicht ökonomisch kontraproduktiv, in Zeiten des eskalierenden Fachkräftemangels die Arbeitszeiten zu verringern?
Auch hier gilt: Wir müssen attraktiver werden, um Menschen für den öffentlichen Dienst zu gewinnen. Der Arbeitsmarkt ist nun mal zunehmend ein Arbeitnehmermarkt. Wenn der Mainstream sagt: „Zeit ist das neue Geld“, dann müssen die Arbeitgeber darauf reagieren.

Der dbb fordert von der Bundesregierung seit Langem, die Arbeitszeit der Beamten von derzeit 41 Stunden zu reduzieren. Wenn Ihnen die Politik hier entgegenkommt: Würden Sie dann auf die 1-1-Übertragung des kommenden Tarifabschlusses auf die Beamten verzichten?
Nein, das sind für uns zwei verschiedene Dinge. Die Bundesbeamten haben vor mehr als zehn Jahren die Arbeitszeiterhöhung auf 41 Stunden hinnehmen müssen, ohne einen Lohnausgleich zu bekommen. Man kann sie nicht doppelt belasten.

Ist das nicht blauäugig? Ohne finanzielle Gegenleistung der Beamten dürfte bei der Arbeitszeitfrage kein Innen- und Finanzminister an Ihrer Seite stehen, gleich welcher Partei.
Abwarten. Wir sind mit Bundesinnenminister Horst Seehofer seit Längerem im Gespräch. Wir können gern über Stufenpläne und Übergangsfristen reden, mir ist durchaus klar, dass wir das nicht im Hauruckverfahren hinbekommen. Wichtig ist ein klares Einstiegssignal. Und auch hier kommt die Work-Life-Balance ins Spiel: Wenn man jungen Leuten sagen muss, dass sie als Beamte mit die höchsten Arbeitszeiten in Deutschland haben, ist das für die Nachwuchsgewinnung kontraproduktiv.

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