Befristung Wirtschaft läuft Sturm gegen Verschärfung im Arbeitsrecht

Nach einem Gesetzentwurf des Ministeriums, der der Wirtschaftswoche vorliegt, soll die zeitliche Begrenzung eines Arbeitsvertrages von bislang zwei Jahren auf eine Höchstdauer von 18 Monaten verringert werden. Quelle: dpa

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen weiter einschränken. Das könnte gerade in der Pandemie Neueinstellungen erschweren. Das Vorbeschäftigungsverbot verhindert nach Meinung der Unternehmen vor allem die Wiederbeschäftigung von Mitarbeitern, die während der Pandemie gehen mussten.

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Wichtige Teile der deutschen Industrie wehren sich gegen den Plan von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), ab Beginn des kommenden Jahres die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen weiter zu verschärfen. Nach einem Gesetzentwurf des Ministeriums, der der Wirtschaftswoche vorliegt, soll die zeitliche Begrenzung eines Arbeitsvertrages von bislang zwei Jahren auf eine Höchstdauer von 18 Monaten verringert werden. Außerdem soll die Befristung bis zu dieser Gesamtdauer künftig nur noch einmal statt dreimal verlängert werden können. Weiterhin ist geplant, sachgrundlose Befristungen auf Neueinstellungen zu begrenzen. Arbeitgeber mit in der Regel mehr als 75 Beschäftigten dürften nach diesem Entwurf „maximal 2,5 Prozent ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sachgrundlos befristen“.

Dagegen regt sich Widerstand aus den Kreisen der Industrie. Karl Haeusgen, Präsident des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagebau (VDMA), fürchtet, dass sich durch die Gesetzesänderung die Lage am Arbeitsmarkt weiter verschärfen wird. „Eingriffe in das Arbeitsrecht, die zum Schutz der Beschäftigten gedacht sind, wenden sich besonders in wirtschaftlich volatilen Zeiten gegen die Interessen der Beschäftigten und tragen mit dazu bei, dass sich Arbeitslosigkeit verfestigt“, schreibt Haeusgen in einem der Wirtschaftswoche vorliegenden Brief an Heil.

Deutlich mehr Langzeitarbeitslose durch Corona

Der Monatsbericht der Bundesagentur für Arbeit über den April 2021 spreche eine deutliche Sprache, schreibt der VDMA-Präsident. „Die Corona-Krise führt unverkennbar zu einer Verfestigung der Arbeitslosigkeit“. Nach den BA-Daten hat sich die Zahl der Langzeitarbeitslosen, also der Personen, die länger als 12 Monate arbeitslos waren, von März auf April um 37.000 oder vier Prozent auf 1,07 Millionen erhöht. Im gleichen Monat des Vorjahres, im April 2020, ist die Langzeitarbeitslosigkeit wegen des ersten Lockdowns um 42.000 oder sechs Prozent gestiegen. Dagegen hatte sich in den Jahren zuvor die Langzeitarbeitslosigkeit im April jeweils verringert. Der Abstand zum Vorjahr belief sich im April 2021 auf plus 318.000 oder plus 42 Prozent, nach plus 323.000 oder plus 46 Prozent im März. „Der Anteil der Langzeitarbeitslosen an allen Arbeitslosen hat sich gegenüber dem Vorjahr von 28,4 Prozent auf 38,6 Prozent erhöht,“ rechnet Haeusgen vor. „Das ist ein Alarmsignal.“

von Konrad Fischer, Daniel Goffart, Julian Heißler, Nele Husmann, Kristin Rau, Teresa Stiens, Claudia Tödtmann

Deshalb brauche der Arbeitsmarkt gerade in der Zeit des wirtschaftlichen Umbruchs mehr und nicht weniger Flexibilität, meint der VDMA-Präsident. „Die Bundesregierung müsste also alle arbeitsrechtlichen Regulierungen überprüfen, die Neueinstellungen erschweren und somit Beschäftigung verhindern“. Er schlage deshalb vor, die Höchstdauer für sachgrundlose Befristung von zwei auf drei Jahre ausweiten und das Vorbeschäftigungsverbot bei Befristungen aufheben - zumindest für die Dauer der Pandemie. Haeusgen sieht zeitlich begrenzte Arbeitsverträge in erster Linie als „Chance“, denn viele befristete Arbeitsverhältnisse würden umgewandelt in feste Stellen.  „Für viele Arbeitssuchende ist die Befristung ein „Entry Ticket“, dass sie ansonsten nicht bekommen würden“, sagt der VDMA-Präsident.

Die Bundesregierung hatte eigentlich beschlossen, wegen der Pandemie auf weitere Belastungen zu verzichten. So wurde vom Koalitionsausschuss am 22. April folgende Verabredung getroffen: „Durch die Corona-Krise hat sich die wirtschaftliche Situation für die Beschäftigten und Unternehmen in unserem Land deutlich geändert“, heißt es dort unter Punkt 7.

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„Deshalb wird die Koalition besonders darauf achten, Belastungen für Beschäftigte und Unternehmen durch Gesetze und andere Regelungen möglichst zu vermeiden.“ Überregulierungen des Arbeitsmarktes – und dazu gehört auch Ihr Vorschlag – sind aber für viele Unternehmen ein Hindernis, um möglichst bald die Corona-Krise zu überwinden.

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