Beispiel Bosch Kinder und Karriere – geht doch!

Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie wird nicht in jeder Firma gelebt. Die Politik will das ändern, notfalls per Gesetz. Dabei ist Zwang nicht unbedingt nötig, wie das Beispiel eines Großunternehmens zeigt.

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Ein Betriebskindergarten macht Unternehmen familienfreundlich. Quelle: dpa

Berlin Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will heute mit Spitzenvertretern der deutschen Wirtschaft über familienfreundliche Arbeitszeiten in Unternehmen und die Errichtung von mehr Betriebskindergärten beraten. In mehreren Foren sollen bei dem Treffen gute Beispiele aus der Praxis von kleineren, mittleren und auch großen Unternehmen diskutiert werden.

Merkel wird nicht lange überlegen müssen bei der Frage, welches Unternehmen sie für besonders vorbildlich hält. Sie selbst hat im vergangenen Jahr den schwäbischen Technikkonzern Bosch zu Deutschlands familienfreundlichstem Unternehmen gekürt.

In der Kategorie „große Unternehmen“ mit mehr als 1.000 Beschäftigten ging Bosch damals als Gesamtsieger hervor. Insgesamt mehr als 530 Unternehmen hatten sich bei dem Wettbewerb „Erfolgsfaktor Familie 2012“ beworben. 42 schafften es in die Endrunde, darunter Airbus, Deutsche Telekom, DZ Bank, Henkel, Tchibo oder Vodafone.

Doch auch wenn Großkonzerne inzwischen versuchen, mit gezielten Programmen Kinder und Karriere gleichzeitig zu ermöglichen, herrscht noch viel Unsicherheit bei dem Thema – auf beiden Seiten. Es braucht einen Kulturwandel, meint Martin Sonnenschein von der Unternehmensberatung A.T. Kearney. „Wir müssen das Paradigma umdrehen“, sagt er. „Elternschaft ist eine Karrierechance.“

Bosch ist auch hier ein Hoffnungsträger für Familien. Der Konzern versucht nun, genau den von Unternehmensberater Sonnenschein angesprochenen Kulturwandel in neuen Leitlinien umzusetzen. Bosch-Mitarbeiter können sich seit Ende 2012 Zeit mit der Familie als Karrierebaustein anrechnen lassen, um die nächste Hierarchiestufe zu erreichen. Auf diese Weise wird Elternzeit zum Beispiel Auslandsaufenthalten von Managern gleichgesetzt. Bosch wolle „familiäre Verpflichtungen genauso wertschätzen wie das berufliche Engagement“, sagte Bosch-Arbeitsdirektor Christoph Kübel am Montag. In der Politik kommt das gut an.


CSU: Familienfreundlichkeit ist „bedeutender Wettbewerbsfaktor“

„Es ist erfreulich, dass mittlerweile auch führende deutsche Unternehmen wie Bosch durch flexible Arbeitszeitmodelle familiäre Verpflichtungen berücksichtigen und Eltern mit zukunftsweisenden Angeboten Mut machen, sich für Kinder zu entscheiden“, sagte die Vorsitzende des Familienausschusses im Bundestag, Sibylle Laurischk (FDP), Handelsblatt Online.

Lob auch von den Grünen für Bosch. „Es ist ein gutes Signal, wenn einzelne Firmen mit familienfreundlichen Arbeitszeiten vorangehen“, sagte die Grünen-Familienexpertin Katja Dörner Handelsblatt Online. Aber Eltern dürften nicht vom „Goodwill ihrer Arbeitgeber“ abhängig sein. „Deshalb brauchen wir gesetzliche Regelungen, um Eltern mehr Mitsprache bei Lage und Dauer ihrer Arbeitszeit einzuräumen, und ein Rückkehrrecht auf Vollzeit“, betonte Dörner.

Für einen Rechtsanspruch auf Rückkehr auf eine Vollzeitstelle plädiert auch die stellvertretende CSU-Generalsekretärin Dorothee Bär. Allerdings sieht Bär auch, dass sich schon einiges getan hat. „Inzwischen haben viele Betriebe erkannt, dass Familienfreundlichkeit ein bedeutender Wettbewerbsfaktor ist“, sagte Bär Handelsblatt Online. Mit dem Fachkräftemangel werde dieser Faktor sogar immer wichtiger werden, ist sie überzeugt.

Tatsächlich liegt der Einsatz für mehr Familienfreundlichkeit im Trend. Die meisten Konzerne in Deutschland haben inzwischen Programme aufgelegt, um Mitarbeiter und ihre Familien zu unterstützen. Angebote für Kinderbetreuung werden ausgebaut, flexible Arbeitszeitmodelle gefördert.

„Top-Job und Kinder zu vereinbaren ist möglich“, sagt etwa Telekom-Personalvorstand Marion Schick. Die Deutsche Telekom bietet ihren Mitarbeitern unter anderem an, in der Elternzeit weiter an Meetings und Konferenzen teilzunehmen, um den Kontakt nicht zu verlieren. Siemens unterstützt Mitarbeiter, die Angehörige pflegen, mit einer eigenen Hotline. Konzerne wie Bilfinger oder Volkswagen haben sich Familienfreundlichkeit ebenfalls zum Unternehmensziel gesetzt.


Umfrage: Familienfreundlichkeit fördert Mitarbeiter-Loyalität

Sind dies Ausnahmen oder haben Unternehmen die Bedeutung des Themas flächendeckend erkannt? Laut einer Umfrage von A.T. Kearney vom September 2012 glaubt immer noch fast jede dritte Frau, dass die Entscheidung für Familie zulasten der Karriere geht. Nur 13 Prozent der befragten Männer mit Kindern fühlen sich von ihren Arbeitgebern unterstützt, Zeit mit der Familie zu verbringen. Befragt wurden knapp 1.800 Mitarbeiter in mehr als 400 Unternehmen.

Die Programme der Firmen seien zwar Zeichen eines Umdenkens, sagt Unternehmensberater Sonnenschein. Doch die meisten Initiativen würden noch nicht ausreichend genutzt. „In der Summe könnten die deutschen Konzerne in punkto familienfreundliche Unternehmenskultur deutlich mehr tun“, sagt er. Die Firmen hätten auch selbst etwas davon: Eine familienfreundliche Unternehmenskultur fördert der Umfrage zufolge die Loyalität der Mitarbeiter.

Die CSU-Politikerin Bär glaubt auch, dass die Firmen viele Möglichkeiten hätten, ohne dass der Gesetzgeber Vorgaben machen müsste. Dahinter stehe auch die Erkenntnis, sagt sie, „dass wir familienfreundliche Arbeitszeiten und eine gute Vereinbarung von Familie und Beruf nicht gegen, sondern nur mit den Unternehmen und Betrieben erreichen können“. Gesetzliche Regelungen, wie etwa die Einführung der Elternzeit und der Anspruch auf Teilzeit seien ja nicht alles. Vieles könne nicht gesetzlich geregelt werden. Heimarbeitsplatz, Kinderbetreuung im Unternehmen oder ein Zuschuss für haushaltsnahe Dienstleistungen müssten auf freiwilliger Basis geschehen.

Die SPD-Familienpolitikerin Dagmar Ziegler glaubt auch, dass die Unternehmen noch lange nicht alle Möglichkeiten für mehr Familienfreundlichkeit ausgeschöpft hätten. Es gehe ja nicht nur um flexible Arbeitszeitmodelle. „Gerade große Konzerne haben sehr viel bessere Möglichkeiten, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gestalten“, sagte Ziegler Handelsblatt Online.

Wohin die Reise gehen kann, wenn Unternehmen nur wollen, zeigt das Beispiel Bosch. Flexibel arbeiten und dadurch Familienaufgaben und Beruf gut vereinbaren – das ist bei dem Vorzeigeunternehmen schon seit Mitte der 90er Jahre möglich. Mittlerweile bietet das Unternehmen mehrere Hundert Teilzeitmodelle an. Dies gilt auf allen Hierarchieebenen: So arbeitet jede vierte weibliche Führungskraft in Teilzeit.

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