Beistand für Lehrer Fremdenfeindlichkeit an Schulen

Der Rassismus an Schulen nimmt zu. Eine Berufsschullehrerin berichtet, dass der Ton gegenüber Ausländern rauer geworden ist. Es gebe Schüler, die „bei Facebook die NPD liken“. Ein Programm soll die Lehrer unterstützen.

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„Es gibt Schüler, die bei Facebook die NPD liken und Flüchtlinge mit Schweinen gleichsetzen“, sagt eine Berufsschullehrerin aus Sachsen. Quelle: dpa

Leipzig Über die sogenannten sozialen Medien verbreiten sich auch Unwahrheiten rasant. Berufsschullehrerin Katrin S. aus Leipzig hat es selbst erlebt: „Eines Tages kamen meine Schüler aufgeregt zu mir. Flüchtlinge sollten einen Supermarkt überfallen haben. Das wurde auf Facebook gepostet und mir unter die Nase gehalten“, sagt die 35 Jahre alte Pädagogin, die unter anderem Gemeinschaftskunde unterrichtet.

Dass die Nachricht so gar nicht stimmte, war schnell vergessen. Katrin S. sieht in der raschen Verbreitung ungeprüfter Meldungen eine großes Problem: „Das hat sich in den letzten Jahren verschärft und erschwert eine richtige Reaktion von uns Lehrern.“

Mit dem starken Zuzug von Flüchtlingen im vergangenen Jahr fielen nicht nur im Internet viele Hemmschwellen. Man kann sich gut vorstellen, dass auch in den Familien viel über Asyl gesprochen wurde. Die Schüler nehmen die Argumente ihrer Eltern mit in den Unterricht oder machen sich auf die im Netz verbreiteten Ängste selber einen Reim.

Lehrerin Katrin S. aus Sachsen geht davon aus, dass die meisten ihrer Schüler Flüchtlingen ablehnend gegenüberstehen. Wenngleich sie in all den Jahren ihres Berufslebens nur einen erkennbaren Neonazi in der Klasse hatte - der Ton gegenüber Fremden ist rauer geworden: „Es gibt Schüler, die bei Facebook die NPD liken und Flüchtlinge mit Schweinen gleichsetzen.“

Katrin S. spürt besonders bei Mädchen eine Abneigung gegenüber Geflüchteten: „Gerade wenn sie aus Berufen kommen, wo wenig Lehrlingsgeld gezahlt wird und viele Überstunden fällig sind. Sie haben Angst, dass es ihnen künftig noch schlechter geht, und halten Flüchtlingen vor, Geld zu kassieren, ohne etwas zu leisten.“


Modellprojekt in Sachsen soll ausgeweitet werden

Um Lehrer mit Gegenargumenten auszurüsten, hat die Robert Bosch Stiftung das Programm „Starke Lehrer, Starke Schüler“ aufgelegt. Es läuft derzeit als Modellprojekt in Sachsen. „Damit möchten wir Lehrer qualifizieren, mit rechtsextremen und rechtsaffinen Jugendlichen angemessen umzugehen, und das in ihrer jeweiligen Schulart“, sagt die zuständige Projektleiterin Ottilie Bälz. Sie sollen lernen, auf rassistische und rechtsextreme Äußerungen von Schülern richtig zu reagieren.

Dass Berufsschullehrer besonders im Fokus stehen, sei kein Zufall: „Sie haben die letzte Möglichkeit, auf schulischem Wege an die betroffenen Jugendlichen heranzukommen“, sagte Bälz.

Sachsen habe man nicht ausgewählt, weil das Problem hier besonders groß wäre, sagte die Projektleiterin: „Es ist überall in Deutschland relevant.“ Bei diversen Projekten zur politischen Bildung habe die Stiftung bemerkt, dass Berufsschulen noch ein weißer Fleck sind.

Das Modellprojekt soll später auch in anderen Bundesländern angeboten werden. Bereits im Herbst werde man dazu Gespräche führen, sagte Bälz. Partner des Programms sind das Institut für Politikwissenschaften der Technischen Universität Dresden (TU) und das sächsische Kultusministerium.
Bälz berichtet davon, dass Lehrer bei fremdenfeindlichen oder rechtsextremen Parolen häufig aus Unsicherheit schweigen und die Provokationen einfach übergehen: „Viele wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen und sind froh, wenn die betreffenden Schüler den Unterricht nicht weiter stören. Da niemand eine Grenze setzt, werden solche Aussagen und Handlungen immer selbstverständlicher.“ Mit dem Programm wolle man ein Problembewusstsein schaffen und anhand ganz konkreter Situationen üben, wie Lehrer reagieren könnten.

„Oft findet man auch die Burgfriedensstrategie“, sagt der Dresdner Politikwissenschaftler Stefan Breuer. Wer den Burgfrieden anstrebe, sei bereit, rechtsextreme Einstellungen solange zu ignorieren, wie sie keine massive Störung des Unterrichtsablaufs darstellen. Wichtig sei das Berufsverständnis der Lehrer. „Für manche Lehrer ist ein erfolgreicher Abschluss der Schüler das höchste Anliegen. Lehrer, die darüber hinaus den Bildungs- und Erziehungsauftrag umfassender wahrnehmen, argumentieren eher gegen rechtsextreme Äußerungen und handeln in entsprechenden Situationen.“

Nach Schätzungen sympathisieren in Sachsen etwa 20 Prozent der Berufsschüler mit rechtsextremen Gedankengut. „Rechtsextremismus ist in der Regel keine Durchgangsphänomen“, sagt Breuer. „Man sollte nicht davon ausgehen, dass rassistische Vorurteile und menschenfeindliche Einstellungen von allein verschwinden.“

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