Beitragssprünge Versicherungsmathematiker drängen auf Reformen für die Private Krankenversicherung

Der Verband der Aktuare sieht einen Weg, wie die Politik den privaten Krankenversicherern helfen könnte, immer wieder deutliche Prämienerhöhungen zu vermeiden.

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Beiträge: Versicherungsmathematiker drängen auf Hilfe für die PKV Quelle: dpa

Berlin Beitragssprünge von 50 Euro und mehr in einem Jahr sorgen regelmäßig für Negativschlagzeilen über private Krankenversicherer. Nun macht die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV) einen Vorschlag, wie das in Zukunft verhindert werden kann. Herzstück des Reformvorschlags der Versicherungsmathematiker und Experten für Versicherungstarife ist eine Neugestaltung der sogenannten auslösenden Faktoren.

Derzeit erlaubt das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) eine Anpassung der Versicherungsbeiträge nur in zwei Fällen: Der erste ist die Abweichung der erwarteten von den im Beitrag kalkulierten Versicherungsleistungen – beispielsweise durch höhere Leistungsausgaben um mehr als zehn Prozent. Der zweite ist eine Änderung der Sterbewahrscheinlichkeiten um mehr als fünf Prozent.

Diese Regelung ist nach Analyse der DAV doppelt problematisch. Zum einen haben andere Rechnungsgrundlagen wie beispielsweise Zinsen, medizinische Inflation, Preisinflation und Storno auch einen großen Einfluss auf die Kosten. Sie sind aber nicht relevant für die Frage, ob die Beiträge überprüft werden dürfen.

Zum anderen ist die Folge, dass wenn dann endlich einer der beiden auslösenden Faktoren eintritt, sich bei dem jeweiligen Tarif ein hoher Anpassungsbedarf aufgestaut hat. Der Ärger bei den Versicherten ist entsprechend groß.

Viele versuchen dann in einen anderen Tarif beim gleichen Unternehmen zu wechseln, wobei sie nicht selten vom Regen in die Traufe geraten. Dieser Trend hat sich durch die lange Niedrigzinsphase verschärft.

Die Aktuare schlagen daher dem Gesetzgeber vor, den Versicherern die Möglichkeit zu geben, als dritten auslösenden Faktor auch die Zinsentwicklung zu berücksichtigen, so dass Änderungen des Zinsniveaus zeitnah in die Beiträge einfließen. „Diese Anpassung an die neuen Kapitalmarktwirklichkeiten wäre ein entscheidender Schritt, das PKV-System zukunftssicher zu machen“, sagte DAV-Vorstandschef Roland Weber.

Darüber hinaus plädiert die DAV dafür, bei Tarifwechseln innerhalb eines Unternehmens nicht alle durch den Beitragsnachlass zur Verfügung stehenden Mittel direkt zur Prämienreduktion einzusetzen, sondern einen Teil davon zu nutzen, um künftige Beitragsanpassungen abzuschwächen.

In diesem Zusammenhang haben sich die Aktuare intensiv mit dem zehnprozentigen gesetzlichen Zuschlag auf die Beiträge zur Krankenvollversicherung auseinandergesetzt, der mit der Gesundheitsreform 2000 eingeführt wurde. Die damit angesparten Mittel kommen den Versicherten zugute und werden ab Vollendung des 65. Lebensjahres zur Abmilderung von Beitragserhöhungen und ab Vollendung des 80. Lebensjahres zur Prämiensenkung eingesetzt.

„Trotz Einführung dieses Zuschlags zeigen die Prämienentwicklungen, dass weitere Maßnahmen zur Dämpfung von Prämienerhöhungen bereits vor Vollendung des 65. Lebensjahres notwendig sind. Zudem ist seit 2000 die Lebenserwartung deutlich gestiegen“, erklärt Weber. Die DAV schlägt daher vor, den gesetzlichen Zuschlag je nach Alter der Versicherten variabel zu gestalten und eine Verwendung der angesparten Mittel bereits vor Vollendung des 65. Lebensjahres zu ermöglichen.

Auch beim Standardtarif für Rentner wünschen sich die Experten für Versicherungsmathematik eine Reform. Das Leistungsspektrum des Standardtarifs orientiert sich dabei am Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung und ist aktuell bei den meisten Versicherern sehr günstig zu haben. Allerdings steht der Standardtarif nur Versicherten offen, die vor dem 1. Januar 2009 Mitglied der PKV wurden.

Für Versicherte, die ihre Verträge später abgeschlossen haben, ist nur der Basistarif als Sozialtarif vorgesehen, in den jeder Kunde ohne Risikozuschläge aufgenommen werden muss. Dort sind die Prämien aber aktuell sehr viel höher.

Die DAV plädiert aus diesem Grund für eine Öffnung des Standardtarifs auch für Versicherte, die erst nach dem 1. Januar 2009 in die PKV eingetreten sind. „Damit würde wieder ein Sozialtarif geschaffen, der diesen Namen auch verdient hat“, sagt Weber. Auch der Verband der Privaten Krankenversicherung drängt seit langem auf eine Öffnung des Standardtarifs und Hilfe des Gesetzgebers bei der Beitragsanpassung. Bisher vergebens.

Die Anliegen der PKV haben es nicht einmal bis in den Koalitionsvertrag geschafft. Dort ist auf Drängen der SPD nur eine Reform der unterschiedlichen Gebührenordnungen geplant, nach denen die Ärzte ihre Leistungen mit gesetzlich und privat krankenversicherten Patienten abrechnen.

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