Berlin intern

Achleitner, der hilflose Helfer der Deutschen Bank

Gregor Peter Schmitz
Gregor Peter Schmitz Ehem. Leiter Hauptstadtbüro WirtschaftsWoche (Berlin)

Die Deutsche Bank will mit einem Buch Europa retten. Dabei geht es ihr gerade dreckiger als der EU.

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Der Aufsichtsratschef der Deutschen Bank, Paul Achleitner Quelle: Christof Mattes für WirtschaftsWoche

Paul Achleitner, Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Bank, steht vor einer kleinen Zuhörerschar in Berlin, er analysiert ganz offensichtlich einen Krisenfall. „Verkrustete Strukturen“ hat Achleitner diagnostiziert, „mangelnde Flexibilität“ sowieso. Schwindende Motivation vieler Mitarbeiter seziert der Topbanker kühl, nebst „wachsendem Zweifel am Geschäftsmodell“. Nicht zu vergessen: „Eine populäre Sehnsucht nach Charismatikern in Führungspositionen“.

Wie gut, dass der Mann so klare Worte findet, denken die Zuhörer. Schließlich hat Achleitners Bank gerade einen Verlust von fast sieben Milliarden Euro verkünden müssen, ihr Aktienkurs ist auf den Stand der globalen Finanzkrise geplumpst. Laut Börsenwert ist im internationalen Vergleich sogar die Danske Bank an ihr vorbei gezogen. Die Danske Bank! Aus Dänemark!! Anfang der Woche musste der sonst so stolze Vorstand gar eine kleinlaute Mitteilung an Investoren verfassen: Sie sollten bitte geduldig bleiben, die Bank könne Zinsen für ausstehende Anleihen wohl entrichten.

Aber: Achleitner redet gar nicht über den Sanierungsfall Deutsche Bank, er spricht vom Sanierungsfall Europa. Mitten in seiner ganz persönlichen Bankenkrise hat der oberste Aufsichtsrat Zeit für Europas Krise freigeschaufelt. Bei „Zigarre vom Schweinelendchen“ und einer „Trilogie von der Schokolade“ stellt Achleitner im Berliner Sitz Unter den Linden das Buch „Europa 5.0“ dreier Kollegen vor, die „ein Geschäftsmodell für unseren Kontinent“ versprechen. Die Autoren fordern ein Europa des Wachstums, das in Ideen investiere statt in Steine und schlicht wieder Mehrwert schaffe.

Das Bank-Stammhaus liegt nur ein paar Hundert Meter entfernt vom Kanzleramt, dort sollen diese Worte Gehör finden, daran lässt keiner der Redner einen Zweifel. Immerhin ist das hier immer noch die Einrichtung, deren einstiger Chef Hermann Josef Abs die Deutschland AG lenkte, bankinterne und nationale Ziele waren für ihn mehr oder weniger deckungsgleich. Später verkörperte Alfred Herrhausen den Prototyp des Bankers, der unternehmerisches und politisches Engagement elegant verknüpft. Und als Exvorstandsboss Josef Ackermann 60 wurde, richtete Kanzlerin Angela Merkel für ihn ein Abendessen aus.

Allein: Hat die Deutsche Bank der Gegenwart noch so viel Glaubwürdigkeit? Zweifel schleichen sich sogar in den kleinen Raum, in den Achleitner geladen hat. In der Fragerunde zum Buch meldet sich gleich eine Politikwissenschaftlerin zu Wort. Sei es nicht „emotional schäbig“, dass ausgerechnet die Deutsche Bank, an der Finanzkrise so mitschuldig, nun Europa auf ein Geschäftsmodell verenge? Ein anderer Diskutant fragt in die Runde, ob Bürger – und Politiker – den Bankeliten noch vertrauten, spätestens seit dieser globalen Finanzkrise?

Als derlei Kritik erklingt, tippt Achleitner am Ehrentisch auf seinem Telefon. Er nickt zwar pflichtschuldig bei Wortmeldungen, aber natürlich weiß er, wie seltsam sein Sanierungsplan für Europa gerade klingen muss. Tippt er auf Schlagzeilen, ist nichts von diesem Plan zu lesen, sondern von Spekulationen, Achleitner müsse seinen Posten räumen. Vor dem Schoko-Dessert sagt noch jemand, es brauche durchaus eine Bank in dieser europäischen Krise, die Zukunft gestalte und finanziere. Die Frage lautet nur: Wird das die Deutsche Bank sein?

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