Berlin intern

Angie, ruf den Donald an!

Gregor Peter Schmitz
Gregor Peter Schmitz Ehem. Leiter Hauptstadtbüro WirtschaftsWoche (Berlin)

Kanzlerin Merkel bemüht sich nicht um frühen Kontakt zum nächsten US-Präsidenten. Politisch schlau. Aber auch klug?

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"Gebt ihm eine Chance"
Siemens-Chef Joe Kaeser über Trump Quelle: AP
Oliver Bäte, Vorstandsvorsitzender der Allianz Quelle: REUTERS
Olaf Berlien, Vorstandsvorsitzender von Osram Quelle: dpa
Werner Baumann, Vorstandsvorsitzender von Bayer Quelle: dpa
Peter Terium, Vorstandsvorsitzender von Innogy"Ich bin ein großer Freund von Wettbewerb und fairem Wettkampf – aber diesen US-Wahlkampf empfand ich persönlich als sehr hart und stellenweise auch als unerträglich. Jetzt herrscht Klarheit. Wir Europäer brauchen ein starkes Amerika an unserer Seite, denn die globalen Probleme lösen wir nicht allein", sagt Terium über den Wahlkampf. Doch er hofft weiter auf eine Energiewende in den USA: "Was die Energiewelt betrifft, glaube ich nicht, dass der Ausgang der US-Wahl große Auswirkungen etwa auf die Entwicklung hin zu erneuerbaren Energien hat. Das UN-Abkommen von Paris verpflichtet ja jede US-Regierung zum Klimaschutz. Und eine Revolution geht nie vom König aus. Die zahlreichen Initiativen für erneuerbare Energien oder auch Elektromobilität, die es in den USA auf regionaler und lokaler Ebene gibt, lassen sich nicht einfach so von Washington aus stoppen. Und im Silicon Valley ist es der Business Community ohnehin weitgehend egal, wer an der Ostküste im Weißen Haus regiert." Quelle: dpa
Matthias Wissmann, Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA) Quelle: dpa
Dieter Zetsche, Vorstandschef Daimler Quelle: REUTERS

Der Trump Tower, 721 5th Avenue, ist zumindest bis zum 20. Januar genau das, was sich sein Erbauer, Donald J. Trump, immer vorgestellt hat: das Zentrum der Welt. Die britische Premierministerin mühte sich, dorthin durchgestellt zu werden, Japans Premier Shinzo Abe durfte sogar kurz auf einer der goldenen Couches drinnen im Turm Platz nehmen und war hoch erfreut. Alle buhlen um Donalds Ohr, ein paar Minuten seiner Zeit.

Alle? Oh nein. Bei Kanzlerin Angela Merkel ist kein Bemühen zu erkennen. Die Frau, die von der „New York Times“ zur letzten Verteidigerin westlicher Werte ernannt wurde, übt sich in Zurückhaltung. Zunächst hat sie Trump nicht einfach gratuliert, sondern daran erinnert, Zusammenarbeit beruhe darauf, dass die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte auch im Trump Tower gelte. Nun lässt sie sich nicht unter Druck setzen, rasch engen Kontakt zum bald mächtigsten Mann der Welt zu suchen. In das Buhlen um Trump-Time einzusteigen ist der Kanzlerin offenbar peinlich. Zwar gibt es Kontakte zu jenen Trump-Mitarbeitern, die schon feststehen, etwa Stabschef Rence Priebus. Aufmerksam verfolgt man in Berlin auch, dass Trump auf Diplomatie-Altmeister Henry Kissinger hört. Aber darüber hinaus gilt: abwarten bis Januar.

Das ist politisch schlau, schließlich ist Trump derzeit die Hassfigur, auf die sich fast alle Lager in Deutschland am leichtesten einigen können. Wenn zudem die Begründung gelten soll, Merkel müsse auch deswegen für eine weitere Amtszeit parat stehen, weil sie den Westen und seine Werte gegen Trump verteidigen solle, kann sie schlecht vor diesem einen raschen Kniefall hinlegen.

Donald Trump im Portrait

Aber ist es auch klug? Trump ist ein höchst ungewöhnlicher Präsident, so gut wie ohne Vorbildung in vielen Politikfeldern. Offen lästern deutsche Politiker, Gespräche brächten nun noch nichts, weil Trump ja nichts wisse über Europa.

Aber damit ist er auch sehr formbar. Wie empfänglich der Baumogul zudem für Schmeicheleien ist, hat seine bisherige Interaktion mit Vorgänger Barack Obama gezeigt. Den hat er im Wahlkampf wüst beschimpft. Doch als Obama ihn im Oval Office willkommen hieß, wirkte Trump wie ein kleines Kind, das ganz nah beim Weihnachtsmann sitzen darf. Seitdem betont er Obamas Klasse.

Warum sollte Merkel nicht Ähnliches gelingen? Trump hat der Kanzlerin im Wahlkampf unterstellt, ihre Flüchtlingspolitik habe zu Massenvergewaltigungen auf deutschen Straßen geführt. Zugleich ließ er aber seinen Respekt für die erfahrene Regierungschefin erkennen.

Darum hat Trump gewonnen

Die Kanzlerin könnte sich nun die Rückendeckung der wichtigsten anderen EU-Staaten sichern, um ihm früh zu sagen: Europa ist einig, Europa ist nicht demütig. Wir wollen zusammenarbeiten, aber nicht um jeden Preis. Und: Wir sind nicht bloß ein Krisenkontinent, sondern immer noch Amerikas wichtigster politischer Partner – wichtiger als Wladimir Putin, der den starken Mann nur gibt, aber wirtschaftlich und politisch keiner ist.

So ein Vorstoß könnte einen Mann wie Trump nachhaltig beeindrucken, der in Kategorien der Stärke denkt. Ja, das wäre ungewöhnlich. Aber es sind ungewöhnliche Zeiten.

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