Berlin intern

Beim Erben hapert es auch in Deutschland mit der Steuermoral

Gregor Peter Schmitz
Gregor Peter Schmitz Ehem. Leiter Hauptstadtbüro WirtschaftsWoche (Berlin)

Ein Hauch von Panama: Geht es um die Erbschaftsteuer, sind deutsche Reiche fast so stur wie die Behörden im Steuersparparadies.

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Erbschaftssteuer Quelle: dpa

Deutschlands Blick auf die Panama Papers war seltsam gespalten. Sicher, diese Enthüllungen über deutsch organisierte Steuersparmodelle im Ausland waren unerquicklich. Aber zeigten sie nicht auch, dass hierzulande eben Steuerbehörden und Steuermoral gut funktionieren, man also bei den Steuern im wahrsten Sinne keine Bananenrepublik ist?

Beim Blick auf die Erbschaftsteuer überkommen einen Zweifel. Die Deutschen werden, nach langem Frieden und regem Ansparen, bald zu den Erb-Weltmeistern gehören. Allein in den kommenden zehn Jahren dürften bei uns mehr als drei Billionen Euro vererbt werden.

Nur: Der Staat hat davon so gut wie nichts, er kann auf magere fünf Milliarden Euro Einnahmen jedes Jahr bauen, sogar die Tabaksteuer fällt etwa dreimal so hoch aus. Selbst urkapitalistische Länder wie die USA greifen weit beherzter ins letzte Hemd.

Was Erben wissen sollten
Alleinerbe Der Alleinerbe erbt als einzige Person. Er tritt rechtlich „in die Fußstapfen des Verstorbenen“ und übernimmt dessen gesamte Rechte, aber auch Pflichten. Quelle: dpa
Gesetzliche Erbfolge Die gesetzliche Erbfolge greift immer dann, wenn kein Testament oder Erbvertrag vorliegt. Danach wird der Nachlass zwischen dem Ehepartner und den Verwandten des Verstorbenen aufgeteilt, wobei Kinder und Enkel des Erblassers Vorrang vor Eltern, Großeltern oder anderen Angehörigen genießen. Quelle: REUTERS
Annahme der ErbschaftWer in Deutschland erben will, muss dafür in der Regel nichts tun. Vor allem braucht er die Annahme des Erbes nicht zu erklären. Dieses Phänomen heißt im Juristen-Deutsch “Von-Selbst-Erwerb.“ Quelle: AP
Ausschlagung der Erbschaft Wer nicht erben will, kann (und muss) die Erbschaft innerhalb einer Frist von sechs Wochen ausgeschlagen. Die Zeit läuft ab dem Moment, in dem der Betreffende von der Erbschaft und deren Gründen erfahren hat. Nach Ablauf der Frist ist eine Ausschlagung in der Regel nicht mehr möglich. Lediglich in Ausnahmefällen besteht die Möglichkeit, die Annahme der Erbschaft anzufechten. Quelle: REUTERS
EhegattentestamentVerheiratete und eingetragene Lebenspartner können ein gemeinschaftliches Testament errichten. Eine weit verbreitete Form ist dabei das sogenannte Berliner Testament. Dabei setzen sich die Eheleute gegenseitig zu alleinigen Vollerben ein. Erst wenn beide Partner verstorben sind, werden auch die Kinder bedacht. Sie werden zu Schlusserben, also zu Erben des länger lebenden Ehegatten ernannt. Quelle: dpa
Pflichtteil Ein Erblasser kann bestimmte Personen von der Erbfolge ausschließen, aber nicht immer verhindern, dass diese Personen etwas aus seinem Nachlass erhalten. Grund: Der sogenannte Pflichtteil garantiert den nächsten Angehörigen des Erblassers also eine Mindestteilhabe an seinem Nachlass. Quelle: dpa
EnterbungHat er Erblasser einen oder mehrere gesetzliche Erben von der Erbfolge ausgeschlossen oder sie bei der Verteilung des Nachlasses nicht erwähnt, spricht man von Enterbung. Handelt es sich bei den fraglichen Personen um enge Angehörige, können sie oft zumindest seinen Pflichtteil verlangen. Quelle: obs

Dennoch sträuben sich deutsche Großerben gegen höhere Steuern fast so entschlossen wie die Regierung Panamas gegen mehr Transparenz in ihrer Steuersparoase. Auch deswegen tobt immer noch der Streit um die Reform der Erbschaftsteuer, nötig geworden durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das die pauschale Besserstellung von Unternehmenserben als verfassungswidrig kritisierte.

Frist für klare Regelungen ist verstrichen

Ende Februar schienen sich die Unterhändler von Union und SPD endlich geeinigt zu haben, bis sich CSU-Chef Horst Seehofer zum Rächer bayrischer Enterbter aufschwang und weitere Zugeständnisse insbesondere für Familienunternehmer verlangte. Seither versinkt die Diskussion erneut im Chaos. Die Mittelstandsvereinigung der Konservativen lancierte trotzig einen Vorschlag, Unternehmenserben sollten zehn Jahre lang nur drei Prozent des Gewinns als Erbschaftsteuer abführen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin konterte mit der Idee, Vergünstigungen zu streichen und eine einheitliche Steuer von 15 Prozent für Unternehmenserben zu verlangen.

Eigentlich wollten die Richter dem Ringen ein klares Ende setzen, ihre Frist verstreicht Ende Juni. Doch ein Gerichtssprecher stellte mittlerweile klar, dass danach die Regelungen erst einmal weiter gelten. Das ganze Gesetz zu Fall bringen wollten die Karlsruher Weisen offenbar nicht, für sie sind ja nur die (zu) großzügigen Regelungen für Unternehmenserben nicht im Geiste der Verfassung.

Bei Klagen könnten Richter schärfer urteilen

Mehr Zeit zum Zoffen also. Die SPD will den gefundenen Kompromiss nicht nachbessern, die CSU unbedingt weitere Erleichterungen durchboxen. Aber Seehofers Blatt ist schwächer. Zwar würde nach dem Stichtag Ende Juni das Gesetz weiter gelten, doch anschließend wären auch Klagen dagegen möglich. Die könnte das Verfassungsgericht nutzen, um sich noch einmal mit der Materie zu befassen und womöglich schärfer zu urteilen. Dafür lassen sich zumindest Indizien aus Stellungnahmen von Richtern ableiten.

Einer würde dann wohl lachen: Finanzminister Wolfgang Schäuble, der in kleinem Kreis oft schimpft, die gewaltige Mehrzahl der Firmen bliebe auch nach einer Reform steuerverschont – und sich über das Großlobbying der Großerben lustig macht. Schäubles Schadenfreude bekämen die Erben ganz umsonst.

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