Berlin intern

Christian Schmidt ist der einsamste Minister

Gregor Peter Schmitz
Gregor Peter Schmitz Ehem. Leiter Hauptstadtbüro WirtschaftsWoche (Berlin)

Christian Schmidt ist der große Unbekannte in Angela Merkels Kabinett. Der Landwirtschaftsminister wirkt fad. So sehr, dass man sein Ministerium auflösen könnte. Eine Kolumne.

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Christian Schmidt ist auch im eigenen Ministerium weitgehend unbekannt. Quelle: dpa

Christian Schmidt, 58, gilt eigentlich als geselliger Mensch. Der CSU-Politiker, lange Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium, ist etwa Dauergast der Münchner Sicherheitskonferenz, einer Art munterer Datingshow für Weltenlenker und solche, die es werden wollen.

Doch seit Schmidt 2014 eher zufällig ins Landwirtschaftsressort wechselte – nach dem Rücktritt von Hans-Peter Friedrich wegen der Edathy-Affäre musste im CSU-Proporz ein Protestant aus Franken Bundeskabinettsrang erhalten –, scheint ihm alles Gesellige ausgetrieben. Zwar verkündete Schmidt, sich im neuen Umfeld heimisch zu fühlen, schließlich sei er auf dem Dorf aufgewachsen und habe schon Kühe kalben sehen. Auch nutzte der Christsoziale sein neues Amt, um weiter Außenpolitik zu machen, etwa als Russland ein Importverbot für Obst und Gemüse aus der EU erließ und Schmidt vor laufender Kamera in einen Apfel biss, mit dem Satz: „One apple a day keeps Putin away.“

Doch im faden Alltag zwischen Kühen und Kälbern bleibt er der große Unbekannte in Merkels Kabinett. Schlimmer noch: Der Mann ist auch in seinem Ministerium weitgehend unbekannt. Viele Referatsleiter haben Schmidt in dessen beinahe zweijähriger Amtszeit kaum zu Gesicht bekommen.

Damit das ja so bleibt, hat Schmidt die Glasscheibe zum Ministertrakt in der Berliner Wilhelmstraße mit Milchfolie bekleben lassen. Außerdem ließ er den Kreis der Magnetkartenberechtigten drastisch reduzieren. Nun dürfen nur noch Staatssekretäre, Abteilungs- und Unterabteilungsleiter eigenständig das Machtzentrum im Agrarministerium betreten. Diese Maßnahme macht zwar irgendwie Sinn. So sollen Ministerialbeamte Freunde nachts durchs Chefbüro geführt haben, unter Sicherheits- und Datenschutzaspekten bedenklich.

Dennoch sorgt die ungewohnte Abschottung in Schmidts Ressort natürlich für Spott. Auch weil der Minister diese sogar bei der Grünen Woche in Berlin fortzuschreiben scheint, der größten Ernährungsmesse der Welt – und eigentlich ein Forum, um das ihn Kabinettskollegen beneiden. Fast 400.000 Besucher kommen, der Berliner Funkturm wird eigens grün angestrahlt. Doch Schmidt will partout nicht mit strahlen, jedenfalls nicht öffentlich. Für seine ministeriellen Räumlichkeiten in Messehalle 23a ließ er sich eigens einen Sonder-Zugang nach draußen bauen, sodass der Minister ja nicht wie seine Vorgänger durch Menschenmengen schreiten muss.

Kein Wunder, dass bei so viel Unauffälligkeit Berlins Flurfunk schon über eine Abwicklung des Traditionshauses spekuliert. Verbraucherschutz musste Schmidts Ressort bereits an Justizminister Heiko Maas abtreten, ein enormer Bedeutungsverlust. Entwicklungsminister Gerd Müller profiliert sich beim Thema Welternährung. Die Entwicklung des ländlichen Raumes, so der Flurfunk weiter, könnte ins Portfolio des Verkehrs- und Digitalministers Alexander Dobrindt wandern, die Ökologie zu Umweltministerin Barbara Hendricks. Und das bisschen Landwirtschaft? Könnte doch eine Unterabteilung im Haus von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel betreuen. Schon 2017 drohe dem Schmidt-Ministerium die Abwicklung, fürchten Beamte im Haus. Das schüfe auch Platz für ein neues Ressort, das viele als notwendiger erachten – eines für Integration.

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